Freitag, 30.10.1998 -
von Olivet nach Hause
Frühstücken, Autos beladen, abfahren Richtung Orléans - Chartres. Es war schon immer ein Wunsch von mir,
die Kathedrale Notre-Dame-de-Chartres kennenzulernen, ich freue mich auf diesen Tag.
Unsere Zeit in Chartres
ist knapp bemessen. Viel zu viel gibt es zu sehen. Es ist nur ein flüchtiger Eindruck, den wir mitnehmen
können. Tief beeindruckt bin ich von den wunderschönen Fenstern, den intensiven Farben, und ich ertappe
mich dabei, dass ich plötzlich die Farbe Blau schön finde, die ich sonst nicht besonders mag. Ich habe
Lust, den komplizierten Windungen des Labyrinths zu folgen und das System des Hin- und Hergehens zu
enträtseln. Wieviel geistige Vorarbeit, wieviel handwerkliches Können, wieviel Ideenreichtum steckt in
diesem Bauwerk! Hinter all diesen Steinmetzarbeiten, den Rosenfenstern, dem farbigen Licht!
Bald verabschieden sich Toni, Helga, Edgar und Manfred, sie müssen schauen, dass sie nach Hause kommen, denn
um 17.30 Uhr muss der Pilger und Wanderer Toni in Neuweiler wieder „Herr Pastor“ sein, und dazu muss er sein
Jakobsweg-Outfit per Rasiermesser ablegen. Ob er das noch schafft? Wir anderen haben noch ein wenig Zeit,
die Kathedrale von außen zu besichtigen, die Portale mit ihrem reichen Figurenschmuck, die Fensterrosen,
die Architektur. In einem kleinen Antiquitäten-Café wärmen wir uns auf und trinken Reginas „Lebenselixier“:
Tee Verveine. Dann machen auch wir uns startklar, das letzte Stück Straße Richtung Heimat zu bewältigen.
Beim Umfahren von Paris hat Jakobus die Hand im Spiel. Er schickt uns einen letzten Gruß, indem er uns
auf eine Straße führt, die wir gar nicht fahren wollen, durch seine Stadt, Ville Saint Jacques steht auf
dem Ortsschild. Danke! hl. Jakobus! Es waren wunderschöne Tage, erlebnisreiche Wanderungen, Erfahrungen,
die man nur schwer in Worte fassen kann: das Staunen über die Kunstwerke, die uns frühere Generationen
hinterlassen haben, das Erlebnis der Gemeinschaft, der bewusste Kontakt mit der Natur, die körperliche
Erfahrung des Wanderns mit dem Rucksack auf dem Rücken, die Überwindung der eigenen Bequemlichkeit, das
Spüren körperlicher Grenzen Nächstes Jahr kommen wir wieder - so Gott will!
Auf einer Autobahnraststelle
bei Verdun laden wir das Gepäck von Beatrix in Walters Auto. Es heißt Abschied nehmen. Tschüß Regina,
Walter, Beatrix, Karolin, Karin, Bettina und Bernhard. In der abendlichen Dunkelheit verlieren wir uns
aus den Augen. Mit vielen guten Gedanken und frohen Erinnerungen fahren Wolfgang und ich zurück in
unseren Alltag.
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