Sonntag, 5. Oktober 2008 |
$bb-01$ Leider mussten wir unseren diesjährigen Pilgerweg vorzeitig abbrechen; nachdem Renate am Freitag die Nachricht vom Tod ihrer Mutter erhalten hatte, stand für uns fest, dass wir sie am Sonntag nach Hause begleiten würden. Alleine hätten wir nicht weitergehen wollen. Wir hatten uns also am gestrigen Samstag schon unsere Fahrkarten besorgt, worüber schon berichtet wurde, und so machen wir uns heute am Sonntag Morgen beizeiten auf den Weg zum Bahnhof von La Souterraine. Wir haben wunderschönes Wetter, es verspricht, ein schöner Tag für unsere Heimreise zu werden.
$bb-02$ Gespannt warten wir auf die Ankunft des TGV, so oft haben wir ja nicht mehr Gelegenheit, mit der Bahn zu fahren. Wir wundern uns, dass so viele Reisende aus der kleinen Provinzstadt wie wir so früh mit diesem Zug fahren werden. Unsere Plätze sind reserviert, und gelöst lassen wir uns nieder, um uns zum Ausgangspunkt unserer Wanderung zurückbringen zu lassen.
$bb-03$ Draußen fliegt die Landschaft, durch die wir in der letzten Woche gewandert sind, an uns vorbei. Nur zwei Stationen haben wir zu fahren und nur zwei weitere größere Orte liegen an unserer Strecke: Argenton-sur-Creuse, Châteauroux und Issoudun, nach einer guten Stunde sind wir in Vierzon, wo wir den TGV verlassen müssen. Eineinhalb Stunden Aufenthalt haben wir hier. Was tut man am Sonntagmorgen in einer kleinen Provinzstadt, die in den letzten zehn Jahren rund 10000 ihrer früher fast 40000 Einwohner verloren hat? Gegenüber dem Bahnhof gibt es ein Café, das schon geöffnet hat; geöffnet ist nicht ganz richtig: es wird gerade geputzt. Der feine Duft von Eau de Javel weht über die Straße, man riecht die frische Sauberkeit. Aber der Kaffee ist gut, es gibt auch ein paar Kaffeestückchen, und die Bedienung ist freundlich. Anschließend machen wir noch einen kleinen Bummel um den Häuserblock, dann können wir wieder zum Bahnhof gehen, wo unser Zug nach St. Amand uns bereits erwartet. Der TER - Train-Express-Régional - ist nicht ganz so komfortabel wie der TGV, vor allem merkt man am Schaukeln der Waggons, dass die Strecke nicht so gut ausgebaut ist wie die TGV-Strecke, aber es ist bequem, einmal auf diese Art und Weise durchs Land zu fahren. Es sind wieder nur einige Haltestellen, dann gelangen wir nach St. Amand-Montrond, wo wir vor einer Woche abmarschiert sind. Tonis Auto steht unversehrt vor dem Bahnhof, und wir können sofort weiterfahren.
Zuerst müssen wir eine Tankstelle suchen, denn bei unserer Herfahrt vor einer Woche sind wir tatsächlich mit den letzten Tropfen bis nach St. Amand gefahren, aber Tonis Autos haben in dieser Beziehung ungeahnte Fähigkeiten; sie fahren selbst dann noch, wenn der Zeiger der Benzinanzeige schon weit unter dem Anschlag ist. Wir finden auch rasch eine Tankstelle an einem Supermarkt, die trotz des Sonntags geöffnet ist und der Automat akzeptiert nach langen Versuchen, bei denen uns auch andere Tankkunden behilflich sind, Tonis deutsche Keditkarte. Endlich können wir unsere Fahrt aufnehmen.
$bb-04$ Es sind nur gerade einmal zehn Kilometer bis nach Charenton-du-Cher, wo wir kurz Station machen; hier war vor zwei Jahren der letzte Halt vor St. Amand, und Brigitte, Renate und Toni möchten der kleinen Kapelle einen kurzen Besuch abstatten; schöne Erinnerungen auffrischen. Ein paar Fotos an der Brücke über den Cher, dann geht es ohne weiteren Halt weiter. Kurz vor Nevers machen wir einen Fahrerwechsel, und über Prémery und Clamecy geht es Richtung Auxerre. Wenige Kilometer vor Auxerre kommen wir durch den kleinen Ort Gy-l'Éveque mit einer interessanten Kirche. Wir legen einen kleinen Stop ein. Das Dach der Kirche ist schon kurz nach ihrer Erbauung eingestürzt, offensichtlich hatten die Baumeister die Schwierigkeiten unterschätzt, und heute macht die Kirche einen recht traurigen Eindruck, wenngleich umfangreiche Restaurierungsarbeiten im Gange sind. Aber es fehlen offensichtlich die erforderlichen Mittel; Frankreich hat zu viele ähnlicher Bauwerke, und es fehlt offenbar der gesellschaftliche Konsens für die Aufbringung der erforderliche Mittel. Nach kurzer Zeit sind wir in Auxerre, wo wir die Kathedrale besichtigen wollen.
$bb-05$ Die Kathedrale liegt im Zentrum der Altstadt auf einem Hügel über der Yonne mitten zwischen den Wohnhäusern, wie das früher üblich war. Saint-Étienne wurde 1215 begonnen, also ungefähr zur gleichen Zeit wie Reims und Amiens, hat dann aber mehrere Bauphasen erlebt. Die Fassade stammt aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert, am Nordturm wurde bis ins 16. Jahrhundert hinein gebaut.
$bb-06$ Unser Wunsch, irgendwo eine Tasse Kaffee zu trinken, bleibt leider unerfüllt: wir sind gerade in der toten Zeit zwischen Mittag- und Abendessen, alle Lokale sind fest verschlossen. Von der kleinen Fußgängerbrücke haben wir noch einmal einen schönen Blick auf die Yonne mit den zahlreichen am Ufer festgemachten Ausflugschiffen sowie die auf einem Hügel über der Stadt thronende Kathedrale, und um halb Fünf fahren wir weiter. Wir kommen wieder durch Pontigny und St. Florentin, wo wir auf der Hinfahrt die Abteikirche besichtigt und einen kleinen Spaziergang gemacht haben und nach rund einer Stunde sind wir in Troyes, von wo es auf der Autobahn in rascher Fahrt durch die Katalaunischen Felder, man könnte auch sagen durch das große Nichts, weitergeht.
In der Autobahnraststätte in Sommesous genehmigen wir uns ein schmuckloses Abendessen, dann geht es bei hereinbrechender Dunkelheit und einsetzendem Regen auf der N 4 Richtung Nancy. Jetzt hat Toni das Steuer wieder übernommen, und nach einigen waghalsigen Überholmanövern hat er eine lange Kolonne langsam heimzockelnder Sonntagsausflügler überholt, dann geht es zügig auf jetzt vierspuriger Straße endgültig Richtung Heimat. Wir machen noch einmal Fahrerwechsel und stehen zwischen Nancy und Metz noch eine viertel $bb-07$ Stunde im Stau, und dann taucht auch schon der Hinweis auf die Raststätte Longeville bei St. Avold auf. Hier müssen wir uns trennen, denn ich werde hier abgeholt; ich möchte am späten Abend den Umweg über Sulzbach oder St. Wendel nicht mehr mitmachen.
Wir trinken noch alle zusammen einen Kaffee, zum Abschied werden noch ein paar Fotos gemacht, dann trennen sich unsere Wege. Eine schöne, erlebnisreiche Woche auf dem Jakobsweg liegt hinter uns, und wir hoffen auf eine Fortsetzung im nächsten Jahr.
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