Samstag, 4. Oktober 2008
von Crozant nach La Souterraine

zum Seitenende

$bb-01$ Gestern haben wir die Creuse überschritten, wir sind vom Berry ins Limousin gekommen. Krieger, Ritter, Händler und Pilger zogen während der vergangenen Jahrhunderte durch diese Gegend und hinterließen ihre Spuren. Es gibt hier die berühmte Route Richard Coeur de Lion. Richard Löwenherz ist hier beim Kampf um die Burg Chalus 1199 gefallen. Doch auch viele fromme Pilger sind durch dieses Land gezogen. Es war Namensgeber für unseren Pilgerweg. Diese Region gab dem zweiten, der insgesamt vier Jakobswege in Frankreich seinen Namen: Via Lemovicensis, bereits 1139 wurde sie in einem Pilgerführer erwähnt. Diese uralte Route des Pilgerweges nach Santiago führt durch das gesamte Limousin. Sie ist weniger bekannt in Pilgerkreisen und gilt als der ruhigste und am wenigsten überlaufene Jakobsweg in Frankreich. Ein aus dieser Gegend stammende Kutschentyp soll unseren Limousinen den Namen gegeben haben.

Heute ist unser letzter Pilgertag. Einsam im Tal der Creuse liegt unser "Hotel du Lac", unterhalb des Ortes Crozant, an der Brücke über den Fluss.

Pünktlich sind Renate und ich im Gastraum, um zu frühstücken. Noch ist alles dunkel. Doch da geistert jemand mit einer Taschenlampe umher. "Wo ist der Lichtschalter?" hören wir Manfreds Stimme. Er hat vom Patron den Auftrag, die Jakobspilger heute morgen mit Kaffee zu versorgen. Butterhörnchen, Brot, Saft, Butter, Marmelade, alles steht bereits auf dem Tisch für uns. Doch wie bekommen wir Licht in den Frühstücksraum? Nirgends ist ein Schalter zu finden. Wir suchen jetzt zu dritt, plötzlich kommt der rettende Gedanke - unter der Theke entdecken wir ihn! Seltsame Anordnung. Fachmännisch bedient Manfred die Kaffeemaschine, und wir können mit Toni, der nun auch eingetrudelt ist, gemeinsam frühstücken.

Unsere Postkarten werfen wir in die kleine Briefbox des Hotels, in der Hoffnung, dass sie auch irgendwann geleert wird.

$bb-02$ Um 8.50 Uhr sind wir bereit zum Weitergehen. Nebel liegt noch in diesem Tal und über der Creuse. Ein Ausflugsschiff liegt am Ufer, mit ihm kann man die Creuse nach beiden Richtungen erkunden. Nach 4 Jahren Bauzeit wurde 1926 der zur damaligen Zeit größte Staudamm Europas fertiggestellt, Le barrage d'Eguzon. 3 Staustufen sind oberhalb und drei Staustufen unterhalb von Crozant. Wir sind genau in der Mitte. Auf der Brücke, die auf die andere Seite der Creuse führt, sind bereits einige Petrijünger am Werk. O je, wir müssen den Berg wieder hinaufgehen, den wir gestern runtergekommen sind, das fängt ja gut an heute Morgen! Doch, ich kann es nicht glauben, im Handumdrehen sind wir oben an dem anderen Hotel! Komischerweise fand ich den Weg gestern Abend abwärts ins Tal viel länger und beschwerlicher als heute morgen den Aufstieg. Es ist doch ein Unterschied, ob man frisch und ausgeruht ist, oder ob man bereits über 20 km zurückgelegt hat und nicht weiß, wie weit es noch ist bis zum Ziel.

$bb-03$ Auf einem Felsvorsprung, am Zusammenfluss der Creuse und der Sedelle, sind die Ruinen des mittelalterlichen Schlosses von Crozant, eine beeindruckende Silhouette, die von einstiger Schönheit, Macht und Größe erzählt. Von ihrer mächtigen Vergangenheit hat diese Festung einige Überreste bewahrt, den viereckigen Bergfried und drei Türme. Die Ruinen überragen eine schöne Landschaft, wild und romantisch. Die mächtige Festung der Grafen de la Marche (X-XIII Jh.) kontrollierte während des ganzen Mittelalters den für Pilger und Händler wichtigen Flussübergang am Fuße der Burg. Gestern sind wir hier vorbei gekommen.

$bb-04$ Ein Pilger-Wegweiser zeigt an: 1613 km bis Compostela. Wie viele Kilometer werden wir noch schaffen? Wie weit werde ich noch mitgehen? Nebel verschleiert die Landschaft, die Berge, den Fluss, die Zukunft .... Die Dächer der Häuser hier oben sind weiß gereift, heute Nacht gab es schon Minusgrade. Den Dahlien war es zu kalt, traurig lassen sie die Blätter hängen. Aufwärts über ein schmales Treppchen erreichen wir das Städtchen Crozant. Die Kirche St. Etienne ist geschlossen. Seitlich an der Kirchenmauer steht ein Denkmal für Armand Guillaumin (1841-1927), einen der Impressionisten. Mitte des 19. Jh. wurde die wilde, reizvolle Landschaft des Creusetales und der Sedelle Anziehungspunkt für eine Reihe von impressionistischen Malern wie Monet und Renoir. Crozant ist ein Künstlerort, er gilt als Wiege des Impressionismus, hier entstand die "Schule von Crozant".

In der Boulangerie versorgen wir uns mit Brot für den Tag. Dann suchen wir wieder unser Wegzeichen. Wir brauchen Hilfe, im Informationsbüro werden wir fündig. Ein felsiger Pfad führt uns mit der gelb-blauen Muschel wieder hinunter ins Tal. An der Moulin de la Folie kommen wir ins Vallee de la Sedelle. Flussaufwärts, begleitet vom Rauschen des Flüsschens, durchwandern wir dieses für mich so wunderschöne, enge Tal. Die Sedelle ist ein wilder, kleiner Fluss, der über dicke, grobe, glatte, zackige, bemooste Steine sprudelt, plätschert, rauscht, fließt, seinen Weg sucht, manchmal wiId und übermütig springend, dann leise murmelnd Geister- u, Spukgeschichten erzählend - vielleicht vom Teufel, der die Pont Charraud 1603 konstruiert haben soll? Einmal ist sie breiter und dann wieder schmäler, unberührte Natur, "wilde, alte Welt", ungebändig bevor sie nach ein paar 100 Metern verschwindet, einmünden muss in die viel größere Creuse. An der Moulin du Pont Charraud ist die Sedelle gestaut, also doch streckenweise fügsam gemacht worden.

$bb-05$ $bb-06$ Zart herbstlich gefärbte Laubbäume sind an unserem Weg, wilde Hecken, Felswände, ein Weg mit Steinen und Sträuchern, viele reife Kastanien - es ist ein schönes Wandern durch diese Wald- und Flusslandschaft! Wir freuen uns an der Stille und Schönheit dieses Tales, am Rauschen des fließenden Wassers. Ich kann die Künstler verstehen, die hier zum Pinsel greifen mussten! $bb-07$ Von den Römern eingeführt, war die Kastanie seit Jahrhunderten eine wichtige Nahrungs­ und Wirtschaftsgrundlage der Region. Noch im 19. Jh. galt sie als eine Speise für die Leute, die sich nur selten Fleisch und Milchprodukte leisten konnten. Die Esskastanie ist das Symbol des Limousin. Das milde Klima beschert reiche Ernten an Kastanien und Walnüssen. Es gibt auch eine Fête de la chataigne. Über die alte, legendäre Pont Charraud aus dem 17. Jh., die auch Teufelsbrücke genannt wird, verlassen wir das schöne Tal. Aufwärts über die Landstraße D 72 geht es nach La Grange du Bois, wo wir laut bellend sehr unfreundlich empfangen werden. Doch Tonis Stock weist die feindseligen Kläffer in ihre Schranken, sie gehorchen.

$bb-08$ Wir haben schönes Wanderwetter, blauer Himmel, frisch und angenehm zum Laufen, eine wenig besiedelte, beschauliche Landschaft, heckenumsäumte Wiesen, auf denen die "Limousinen" grasen. So werden die berühmten Rinder des Limousin stolz genannt. Mit ihren dunklen Augen sind sie rotbraune Farbtupfer in der grünen Landschaft.

$bb-09$ Immer wieder kommen wir an einem See vorbei. Das Limousin ist eine Gegend mit ausgedehnten Seen landschaften und Flüssen, man nennt es auch das "grüne, wasserreiche Herz Frankreichs", im Sommer sicher herrlich zum Schwimmen, ein Paradies für Wassersportier . Es ist einer der größten Wasserspeicher Frankreichs. Im Herzen des Limousin ist das Plateaux des Millevaches (nicht der 1000 Kühe sondern der 1000 Quellen, das Wort kommt aus dem Keltischen), wo viele Flüsse entspringen, auch die Creuse. Die 3 Departements sind ebenfalls nach Flüssen benannt: Vienne, Creuse u. Corrèze.

$bb-10$ Wir legen eine kleine Verschnaufpause ein in dem Ort Les Coublins, der nur aus ein paar Häusern besteht. Ob das der Dorfplatz ist, wo wir uns niedergelassen haben? Was liegt näher, Toni meditiert über das Wasser. Er spricht von den vielen Formen des Wassers, Regen, Schnee, Eis, Reif, Tau, Nebel, Quelle, Bach, Fluss, See .... , von der Kraft des Wassers, die es sogar schafft, im Laufe der Jahrhunderte Steine zu bearbeiten und Felsen auseinander zu sprengen. Er redet über die Kraft des Wassers im Dienste der Menschen, die Mühlen und Turbinen antreibt, und wie lebensnotwendig für uns Menschen das Wasser ist. Er spricht über den Kreislauf des Wassers. Immer wieder neu verdunstet es und kommt als Regen wieder. Es gibt keine endgültige Ruhe, der Kreislauf beginnt immer wieder von Neuem, Toni zieht Vergleiche zu unserem Leben.

$bb-11$ Ein kleines Kätzchen räkelt sich gemütlich in der Sonne und schaut interessiert zu uns rüber, nein, von solchen Problemen hat es noch nie gehört.

Um 11 Uhr brechen wir auf. Schon am ersten Tag unserer Wanderung sind mir diese wunderschönen Dahlien aufgefallen, die wir in jedem Ort bestaunen können. In allen Formen und Farben wachsen sie - nicht in den Vorgärten wie bei uns, sondern von der Straße aus gesehen vor den Gartenzäunen, vor der Friedhofsmauer, vor Hecken, immer schön nebeneinander in einer bunten Reihe, weiß, rot, gelb, blass rosa, violett ... Ich werde zum Dahlien-Fan auf unserem diesjährigen Jakobsweg!

$bb-12$ Manfred hat einen Weg ausgesucht, der uns nach La Chapelle Balou führt. Ein altes, verwittertes und verwaschenes Steinkreuz steht am Wege, Zeichen des Glaubens und der Hoffnung für viele Pilger, die über Jahrhunderte diesen Weg gegangen sind. Was hat es alles erlebt, was könnte es alles erzählen? Ãber einen Feldweg, wieder vorbei an einem See, durch den Wald, einen Teerweg und eine alte Römerstraße führt unser Pilgerweg. Ein Hahn schmettert sein Kikeriki in die Gegend, Krähen ziehen ihre Bahn am Himmel, in der Ferne braust ein TGV durchs Land. In Proge, einem kleinen Weiler mit nur ein paar Häusern, entdecken wir die Terrasse eines Einfamilienhauses, die recht einladend aussieht. Eigentlich ist es nun Zeit zum Mittagessen, wir haben Hunger. Tisch und Gartenstühle stehen bereit, dürfen wir? Ja, Madame ist sehr freundlich. Wir sitzen in der Sonne. Unser Rucksackproviant wird zum Pilgermenu, der Käse hat die richtige Temperatur, alles schmeckt viel besser als zu Hause. Manfred erzählt uns die Story von Ilonas kurzzeitig verschwundenem "Messerchen". Als Nachtisch gibt es für jeden von uns einen von geistlicher Hand von Limousin ­ Bäumen geernteten Apfel und von der Hausfrau einen Kaffee! Madame unterhält sich gerne mit uns, wir erzählen ihr von unseren vielen Jakobswegen. $bb-13$ Monsieur repariert ein Kinderfahrzeug für die kleine Enkelin Emma, die bei Oma und Opa zu Besuch ist. Emma beobachtet uns ganz vorsichtig aus sicherer Entfernung. Mit guten Wünschen, Bon Courage, Au revoirs und Winken von Emma machen wir uns wieder auf den Weg. So eine Pause ist wohltuend und erfrischend. Beim Weitergehen spürt man die bereits zurückgelegten 10 km überhaupt nicht (vorerst). Wie jeden Tag beten wir nun den Rosenkranz. Wieder kommen wir an einem See vorbei.

$bb-14$ Vor uns auf der Höhe liegt St. Germain-Beaupre mit seiner Kirche St. Germain aus dem 12./18. Jh. und einem Schloss. Hinauf geht es über die Landstraße und durch den kleinen Ort. Doch bald können wir auf einen schönen Feld- und Hohlweg abbiegen, le Chemin creux. der durch Wald und Wiesen führt. Ein Pfad mit Steinen und Sträuchern am Wegesrand. An einem alten Eichenbaum entdecken wir eine mit der Muschel bezeichnete Pilgerbox, die uns neugierig macht. Wir finden ein Büchlein mit vielen Pilger-Notizen. Wir verpflichten Toni, für unsere Gruppe etwas in das Pilgerbuch zu schreiben. Wir unterschreiben, dass "die Füße schmerzen, das Herz aber voller Begeisterung ist". Das Paar aus England, das letzte Nacht im gleichen Hotel wie wir übernachtet hat, überholt uns, sie sind viel flotter als wir - es wird heute nicht die letzte Begegnung mit ihnen sein! Bis Puyrolland führt dieser Feldweg durch die Einsamkeit und Schönheit der Natur, dann läuft unser Pilgerweg wieder unvermeidlich über die Landstraße und später über eine Brücke. Hier ist sie wieder, aber noch jung, brav und unauffällig - unsere wilde Sedelle!

$bb-15$ Für heute sind wir am Ziel - St. Agnant de Versillat. Aufwärts führt die Straße in den Ort. Wir kommen an einem Haus vorbei mit vielen Blumentöpfen, Kübeln, Geranien und Grünpflanzen. Stolz präsentiert sich der Hausherr, als wir fotografieren, und mit schelmischer Miene bittet er um ein kleines Honorar.

19 km haben wir bis jetzt zurückgelegt. Die letzten Kilometer bis La Souterraine möchten wir mit einer Taxe fahren, damit wir noch zeitig am Bahnhof in La Souterraine ankommen (oder ist das nur eine Ausrede?). Wir müssen heute noch unsere Fahrkarte für die Heimfahrt morgen nach St. Amand lösen, wo Tonis Auto steht. Doch Toni schlägt vor, zu trampen. Er hat gute Erfahrungen gemacht - vor vielen Jahren. Am Ende des Ortes, am Friedhof versuchen wir unser Glück. Es fahren einige Autos vorbei, doch alle haben auf den Rücksitzen Kinder sitzen, es sind Eltern, die ihre Kinder in der Schule abgeholt haben. Unser auch nach 19 km immer noch putzmuntere Manfred setzt auf Sicherheit und macht sich schon mal allein auf den Weg über die Landstraße. Wieder kommt ein Auto, es hält! Doch als der Fahrer unsere drei Rücksäcke sieht, möchte er nur einen von uns mitnehmen. Toni bittet ihn, unseren 4. Pilger mitzunehmen, der bereits zu Fuß weitergegangen ist. Er verspricht es! Ob wir ihm glauben können? Wir winken weiter mit schwindender Hoffnung, nichts tut sich. Toni ist nun auch für das Weitergehen auf unserem Pilgerweg. Doch der zweigt hier von der Landstraße ab, wir haben dann keine Möglichkeit mehr zu trampen.

Wir schultern schon unsere Rucksäcke, da hält eine junge, dunkelhäutige Frau! Sie nimmt uns mit! Schnell hinein in ihr Auto, bevor sie es sich anders überlegt, Renate und ich auf den Rücksitz, Toni reicht uns die Rucksäcke und setzt sich vorne hin. Madame ist sehr freundlich und aufgeschlossen, unterhält sich mit uns, fragt uns aus. Toni spricht französisch mit ihr. Sie fährt uns bis zum Bahnhof von La Souterraine. Unterwegs ist kein Manfred zu sehen, also hat der Fahrer sein Versprechen eingehalten! Wir treffen Manfred am Schalter der SNCF, noch ist er am Verhandeln. Die Fahrt von La Souterraine nach St. Amand kostet pro Person 31 €, eine TGV-Stunde ist inbegriffen. Manfred erzählt uns, dass er erstaunt zurück schaute, als auf der Landstraße hinter ihm plötzlich ein Auto hupte und der Fahrer rief: "Steigen sie ein, ich fahre sie zum Bahnhof!" Im Laufe der Fahrt stellte sich heraus, dass der französische Fahrer aus dem lothringischen Creutzwald stammt und sich riesig freute, dass er einem Nachbarn aus dem Saarland helfen kann. Alles ist bestens gelaufen, unser Pilgerpatron ist doch zuverlässig!

$bb-16$ Ein erfrischender Tropfen im Lokal gegenüber vom Bahnhof weckt wieder unsere Lebensgeister. Nun geht es durch das kleine, mittelalterliche Städtchen zu unserer Übernachtungs-Adresse in La Souterraine, übersetzt "die Unterirdische". Manfred hat Chambre d'Hôtes im Maison numero neuf, bei einer englischen Familie reserviert. Nachdem wir "eingezogen" sind, machen wir wieder einen Rundgang durch die Altstadt. Unbeeindruckt vom Wandel der Zeiten wacht der mächtige Torturm St. Jean aus dem 13./15. Jh. über dem Treiben in den Altstadtgassen. Er war einst Teil der mächtigen Befestigungsanlagen der Stadt, bis 1860 wurde er als Gefängnis benutzt. An der Stelle eines ehemaligen Tempels erhebt sich heute die Prioratskirche Notre-Dame mit hohen Mauern aus dunklem Granit. Mit dem Bau wurde 1170 begonnen. Wegen Finanzschwierigkeiten kam es zum Streit zwischen den Bewohnern der Stadt und den Mönchen, Richard Löwenherz schlichtete und stellte Geld zur Verfügung. Krächzend schwirren die Raben um ihren Turm. An der Süd­West-Fassade des hohen Glockenturms ist ein weißer Stein, der - wie auch bei anderen Kirchen dieser Region - an die Zeit der großen Pilgerfahrten erinnert und diese Kirche als eine Pilgerkirche auf dem Jakobsweg ausweist. Dieser weiße Stein kündigte den Pilgern das Ende der Tagesetappe an. Erbaut wurden diese riesigen Pilgerbasiliken für die vielen Pilger, die im Mittelalter, zur Blütezeit der Jakobsbewegung zu Tausenden in diese Kirchen kamen und sogar in den Seitenschiffen und auf den Emporen übernachteten. Die unterirdische Krypta der Kirche war Namensgeberin für die Stadt mit dem seltsamen Namen, sie wird von alters her besonders von den Pilgern aufgesucht. Dort steht die Statue einer schwarzen Madonna, welche die Pilger früher auf dem Kirchendach von weitem begrüßte. Doch wir können sie leider nicht besichtigen, die Kirche ist geschlossen zu so später Stunde.

$bb-17$ Es ist schön durch die mittelalterlichen Gassen, vorbei an den gut erhaltenen Häusern zu bummeln, doch der Wind weht uns kalt ins Gesicht, es wird sehr ungemütlich auf unserer Stadttour. Mit einigen Gateaux Creusoises (Nussbiskuit auf Ziegeln ausgebacken) und Liqueur de Chataignes (Kastanienlikör) im Gepäck für die Daheimgebliebenen sind wir um 8 Uhr wieder zurück zum Abendessen. Alle anderen Gäste, die hier wohnen, kommen aus England. Es sind drei Ehepaare. Wir sitzen gemeinsam an einer großen Tafel. Schade, wir können uns nicht verständigen. Es ist ein ziemlich lautes "Geschnatter", das wir leider nicht verstehen, und das sehr störend wirkt, man versteht sein eigenes Wort nicht. Der Redeschwall ist pausenlos. Als die Vorspeise auf dem Tisch steht, bittet die Engländerin, die neben Toni sitzt und ein wenig deutsch spricht, Toni, ein Gebet für uns alle zu sprechen. Sie ist uns heute Mittag mit ihrem Mann begegnet. Gestern Abend haben beide im gleichen Hotel übernachtet wie wir. Irgendwie muss sie gehört haben, dass Toni Pastor ist. Toni spricht ein Segensgebet und macht das Kreuzzeichen über die Speisen, die auf dem Tisch stehen. Die Engländer halten die Hände gefaltet, hören andächtig zu, obwohl sie wahrscheinlich nichts verstehen. Für ein paar Minuten fühlen wir uns über alle Sprachbarrieren hinweg im Gebet miteinander verbunden. Als Toni sein Amen gesprochen hat, bedanken sie sich bei ihm! Ich finde diese unerwartete Begegnung eindrucksvoll und ergreifend, in Gedanken gemeinsam etwas erleben, was sich in Tiefen abspielt.

Unser Pilger-Apostel soll ja "Ein Heiliger für alle Fälle" sein, habe ich irgendwo gelesen. Heute hat er uns einen wunderschönen, letzten Wandertag geschenkt, alles ist bestens gelaufen. Das Wetter war ideal, kühl und angenehm beim Wandern, die Sonne immer dabei, es war eine schöne Landschaft, die unbekannte und doch so zauberhafte Sedelle haben wir kennen gelernt, für den Mittagstisch hat er bestens gesorgt, zwei "Taxen" hat er zur rechten Zeit geschickt, das Tischgebet mit den Engländern hat er uns geschenkt. Ob unser Pilgerpatron uns mit diesen Geschenken vom Jakobsweg verabschieden wollte, oder ob er möchte, dass wir im nächsten Jahr wiederkommen?

Brigitte


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