Freitag, 9. September 2011
Von Auxerre nach Accolay

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Heute liegt eine leichte Etappe vor mir; es sind zwar 24 km, aber es gibt praktisch keine Steigungen. Ich schlafe bis 7:15 Uhr, dann geht es zum Frühstück. Der Wirt ist sehr freundlich und aufmerksam und empfiehlt mir wegen der Zecke einen Arzt um die Ecke oder das Hospital. Mein Gepäck kann ich in der Zwischenzeit im Hotel lassen.

Die Suche nach dem Arzt ist komplizierter als erwartet, denn die Praxis ist in einem Innenhof versteckt. Die Sekretärin gibt mir zunächst keine Chance, heute behandelt zu werden, aber ich bleibe hartnäckig, gebe ihr die himmlischsten Worte und lasse all meinen Charme spielen. Ich gebe ihr zu bedenken, dass ich zu Fuß unterwegs bin und jeden Abend mein Ziel erreichen muss. Schließlich lässt sie sich erweichen und telefoniert mit dem Arzt, der mich auch 'bald' behandeln will. Ich zeige mich dankbar und verspreche, nach meiner Ankunft in Vézelay für sie zu beten. Sie lässt mich im Vorzimmer warten und will jetzt alles wissen. Ich erzähle von meinen Eindrücken und nach kurzer Zeit bin ich an der Reihe. Der Arzt untersucht mich ausführlich, es gibt keine OP und er verzichtet auch ausdrücklich auf sein Honorar und wünscht mir für meinen weiteren Weg alles Gute. Ich bedanke mich auch nochmal bei der Sekretärin und hinterlasse eine Spende für die Kaffee-Kasse.

Ich hole mein Gepäck im Hotel und laufe dann kreuz und quer durch die Stadt bis zur Yonne. Von der Brücke Paul Bert freue ich mich noch einmal über den wunderschönen Blick auf die Stadt, der heute Morgen im Sonnenschein noch schöner ist als am gestrigen Nachmittag.

Auxerre ist ein wichtiger Ausgangspunkt für die zahlreichen Ausflugsboote, die die Yonne und den parallel verlaufenden Canal du Nivernais befahren. Der Kanal selbst wurde gebaut, um die Hauptstadt Paris mit Brennholz aus dem Morvan und den ausgedehnten Waldgebieten der Sologne zu versorgen. Erste Überlegungen zu seinem Bau gab es schon unter Henri IV im 16. Jahrhundert, begonnen wurde er aber erst 1784, die endgültige Fertigstellung erfolgte 1843. Die gewerbliche Schifffahrt wurde in den 1970er Jahren eingestellt, da der Kanal nur für sehr kleine Schiffe ausgelegt war; seither wird er zunehmend touristisch von Sport- und Hausbooten befahren und gilt als einer der landschaftlich schönsten Kanäle Frankreichs, dessen nördlicher Teil jährlich von 4000 Booten befahren wird.

Mit etwas Mühe finde ich den Weg an der Yonne entlang, der im Stadtgebiet etwas kompliziert ist. Vorbei an einem schönen Park und dem Stadion des FC Auxerre geht es aus der Stadt. Zu Anfang meint man, man kommt nicht voran, aber dann hat man doch 2, 3, 4 km zurückgelegt. Auf dem als Piste cyclable gekennzeichneten Treidelpfad geht es sich gut, und die Landschaft ist sehr schön. In Vaux überquere ich den Fluss und lasse mich dann dazu verführen, dem GR zu folgen, der hier einen großen Umweg macht; diesmal hätte ich mich ausnahmsweise an Outdoor halten sollen, der einen kleinen Pfad am Flussufer vorschlägt.

Auf einem öden, geschotterten Weg gelange ich schließlich nach Champs-sur-Yonne, einem 1600 Einwohner zählenden Städtchen, das eine Partnerschaft mit Fell an der Mosel hat. Es ist ½ 12, Zeit für die Mittagspause in einem kleinen Park. Auf einer Brücke im Zuge der vielbefahrenen N 7 überquere ich wieder die Yonne, dann geht es wieder auf dem Treidelpfad weiter. Rechts am Weg liegt das schöne Château de Bellombre aus dem späten 17. Jahrhundert. Der Weg ist zwar recht ruhig, trotzdem begegnen mir hier mehr Spaziergänger und Radfahrer als an allen Tagen der letzten Wochen.

Gegen 2 Uhr gelange ich in Vincelle zu einem schönen kleinen Café in einem umgebauten ehemaligen Waschhaus. Eigentlich will ich nur eine Tasse Kaffee trinken, aber dann kann ich dem Angebot des Hauses nicht widerstehen: ich bestelle mir eine Crèpe Froment Classique mit Schinken und Ei, ein echtes Gedicht. Am Nebentisch sitzen fünf deutsche Touristen aus Frankfurt am Main, deren Boot am Liegeplatz festgemacht ist. Ihre Gespräche lassen auf Geldadel schließen, standesgemäß zahlen sie ihre kleine Rechnung mit einem 200-Euro-Schein. Naja; so zeigt man, wer man ist.

Die Pause hat mir gut getan, bis nach Cravant läuft es sehr gut. Auf dem Kanal kommt mir ein Hausboot entgegen; es gleicht eher einem umgebauten Penich als einer Yacht; im Radfahrertempo tuckert es in Richtung Auxerre. Um ½ 3 gelange ich nach Cravant; hier verlässt der Weg nach Vézelay das Tal der Yonne und den Kanal, um in südöstlicher Richtung dem Tal der Cure zu folgen.

Eigentlich ist die Etappe hier zu Ende, aber ich habe mich schon bei der Planung dafür entschieden, noch die 4 km bis Accolay anzuhängen. Die heutige Strecke wäre mit 18 km zu kurz und die morgige bis Vézelay mit über 30 km eindeutig zu lange gewesen.

Durch die Porte d'Orléans betrete ich den Ort, der einige weitere schöne Gebäude aufweist, u.a. den aus dem Jahre 1387 stammende Uhrturm, auch Beffroi de Cravant genannt, sowie die Kirche St. Peter und Paul, mit deren Bau im 14. Jahrhundert begonnen wurde, die aber später, insbesondere in der Renaissance mehrfach und nachhaltig verändert wurde. Man kann das Innere nur durch eine Gittertür betrachten, aber immerhin besser als ganz verschlossen. An einem anheimelnden kleinen Platz mit schönen Fachwerkhäusern und einem schönen Brunnen nehme ich noch einen Kaffee, dann nehme ich das letzte Teilstück meines heutigen Weges in Angriff.

Sofort nach dem Ort geht es durch einen schönen Hohlweg steil durch den Wald bergauf und ich komme ganz schön ins Schwitzen. An Feldern vorbei geht es über die Höhe, und beim Abstieg gibt es wieder Weinberge mit Pinot Noir und Chardonnay; Pflücker aus Spanien und Portugal sind noch bei der Lese.

Über die Cure komme ich nach Accolay, bekannt durch seine Töpfereien, und zum Campingplatz, wo mir die Gemeinde einen kleinen Wohnwagen reserviert hat. Es ist erst 4 Uhr und das Büro erst ab 18:30 Uhr geöffnet. Ich rufe bei der Mairie an und man verspricht mir, es wird gleich jemand vorbeikommen. Während ich warte, lädt mich ein Nachbar aus Nordfrankreich zum Kaffee ein. Dann beziehe ich den Wohnwagen, dusche und rufe zu Hause an. Ich schlafe eine Stunde, dann breche ich auf zum Abendessen. Vorher begleiche ich noch meine Rechnung, die sich auf sage und schreibe 10,70 € mit Elektrizität beläuft.

In Accolay gibt es nur die Hostellerie de la Fontaine, ein Haus mit gehobenem Standard mit einem tollen Ambiente; was ich bei der Übernachtung gespart habe, muss ich hier wieder drauflegen. Das Magret de Canard ist sehr gut, und der Oberkellner ist sehr aufmerksam und freundlich, obwohl ich nur wenig verzehre und mein Outfit nicht unbedingt hierher passt.

Gegen ½ 11 verlange ich die Rechnung und mache mich auf den Weg‚ denn morgen will ich beizeiten aufbrechen und ausgeschlafen sein.

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