Mittwoch, 21.10.98 - Von Aire-sur-l’Adour nach Sensacq
Am Vorabend war uns der Entschluss sehr schwer gefallen, auf unserem Weg einen weißen Fleck zu
hinterlassen, aber die Umstände ließen uns keine andere Wahl. Statt in der Nähe von Barcelonne-du-Gers
dort weiterzugehen, wo wir am Vortag angehalten hatten, wollten wir uns von unserem Hotel in Aire-sur-l’Adour
aus auf den Weg machen. Unser Wirt hatte uns schon ein wenig auf das eingestimmt, was uns als erstes
bevorstand: „L'église de Sensacq? Mais c'est perdue!“, rief er erschrocken aus, was soviel heißen sollte
wie, 'das findet Ihr nie, das liegt ja völlig in der Pampa - wer geht da schon hin!'. Wir gingen hin, d.h.
zunächst mussten wir hin fahren, aber das hatte schon so seine Tücken. Als Oberpfadfinder fuhr ich
selbstverständlich vor, und in bekannt souveräner Manier fand ich natürlich trotz rabenschwarzer
Dunkelheit bis fast hin. Fast eben. 50 Meter vor dem Ziel warf ich die Flinte ins Korn, gestand mein
Unvermögen ein und kehrte um. Glücklicherweise bewies Beatrix mehr Schneid als ich und fragte einen
Anwohner, der uns prompt den richtigen Weg wies.
Unser Abmarsch gestaltete sich dann ähnlich schwierig. Einer brauchte noch Brot, jener noch Wasser,
aber endlich hatten wir dann doch die Stadt hinter uns. An der berühmten Kirche Sainte Quitterie
verabredeten wir für den Abend noch eine Führung und erhielten schon jetzt den Stempel auf unserem
Pilgerausweis.
Am Ufer eines neu angelegten Stausees südlich der Stadt hielten wir unsere heutige Morgeneinstimmung.
Wir machten uns bewusst, dass Weggefährten nicht nur die sind, die mit uns fahren, sondern die, die
die Gefahr mit uns teilen. Aber welchen Gefahren sind wir auf unseren heutigen Reisen schon ausgesetzt?
Dass wir den Weg nicht finden, dass der Tank unseres Autos leer wird, dass .. .., aber sonst? Dennoch,
der Gedanke erinnerte mich an Kohelet (4,9-10) „Zwei sind besser als einer ….. Denn wenn sie hinfallen,
richtet einer den anderen auf“
Vom See aus ging es durch ein Vogelschutzgebiet auf die ausgedehnte Hochfläche von Pélauze, die wenig
Besonderheiten bot. Abgeerntete Maisfelder wechselten mit solchen, die noch nicht abgeerntet waren.
Über Stunden immer das gleiche Bild. Einige Frauen, die in der Nähe von Latrille ihre Kinder am Schulbus
erwarteten, eine alte Frau am Hof von Jamboué, die uns bestätigte, dass wir noch auf dem richtigen Werg
waren, ansonsten nur Mais, Mais, Mais.
Bei Matot machten wir unsere Mittagspause. Unter zwei herrlichen alten Eichen am Eingang zu einem großen
Bauernhof lagerten wir neben einem ausgetrockneten Ziehbrunnen und teilten alles, was wir hatten,
untereinander auf. Einer hatte Brot, ein anderer Äpfel, Schokolade, und, und, die Stimmung war großartig.
Nach dem Hof von Jeanboue-de-la-Lande änderte die Landschaft ihr Gesicht. Vor uns breitete sich eine
liebliche Tallandschaft aus, durch die wir zur Kirche von Sensacq hinabstiegen. Wir waren angenehm
überrascht von dem schönen kleinen Kirchlein, das gerade renoviert wird. Der Duft nach frischer Farbe
tat uns gut nach den vielen Kirchen und Kapellen der letzten Tage, die sehr häufig in einem recht
beklagenswerten Zustand waren.
Auf dem Rückweg machten wir noch einen kurzen Halt in Miramont, um einen Blick in die schöne Pfarrkirche
zu werfen. Die gute Akustik lud natürlich zu einem Lied ein, dann ging es endlich zurück nach Aire-sur-l’Adour
zur vereinbarten Führung durch die Kirche Sainte-Quitterie. Monsieur L'Abadie erklärte uns in aller
Ausführlichkeit die wechselvolle Geschichte und die zahlreichen interessanten Einzelheiten dieses
ehrwürdigen Gotteshauses, das seit einigen Jahren in allen Teilen restauriert wird, aber es bleibt
noch viel zu tun. Leider waren wir zu müde, den Ausführungen mit der nötigen Aufmerksamkeit zu folgen,
und wir waren schließlich froh, als wir uns verabschieden konnten.
Zum Abendessen versammelten wir uns an diesem Tag im Café de l’Adour, da unser Wirt seinen verdienten
Ruhetag hatte. Mit einem kurzen Bummel durch die City von Aire beschlossen wir einen schönen Tag.
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