Mittwoch, 28.10.1998 -
von St.-Jean-Pied-de-Port nach Roncesvalles

Eigentlich beginnt die letzte Etappe bereits am Nachmittag des 27.10.1998. Der Vorschlag kam von Bernhard, diese 10. Etappe aufzuteilen. 24 km Weg und ein Höhenunterschied von ca. 1.200 m wären für einige von uns doch recht anstrengend. Im Nachhinein hat sich dies als richtig erwiesen.

Von Larcevaux kommend erreichten wir so gegen 15.00 Uhr St.-Jean-Pied-de-Port. Diese Stadt, 716 gegründet, war unsere letzte Station vor der Überquerung der Pyrenäen. Uns standen 24 km stetiges Bergauf bevor. Da dies durch diese enormen Höhensteigungen an einen Tag nicht zu bewältigen war, wanderten wir schon am Vortag 6 km nach Honto. Abmarsch war gegen 16.00 Uhr. Alle waren mit Begeisterung dabei (nur Wolfgang wollte sich diesen Stress nicht mehr zumuten), ging es nun doch so richtig in die Pyrenäen. Schon seit Tagen waren diese aus der Ferne zu sehen. Nach einer kurzen Rast erreichten wir um 18.30 Uhr Honto. Alle waren froh, dieses Ziel erreicht zu haben. Selbst Brigitte war, wie sie selbst sagte: „geschafft“. Das heraufziehende Abendrot legte einen goldenen Schleier über die Berge. Wir waren begeistert.

Am Morgen fuhren 3 Autos vor nach Roncesvalles. Bereits um 8.00 Uhr war Frühstück angesagt. Mit Tagesgepäck. Um 8.30 Uhr brachte uns ein Kleinbus nach Honto, unserem Etappen-Ausgangspunkt. Trotz des beschwerlichen Weges, der uns bevorstand, waren alle guter Dinge.

Einer unserer Mitwanderer fehlte. Keiner wusste so recht was los war. Dann stellte sich heraus, Manfred wollte den alten Höhenweg ab St.-Jean-Pied-de-Port gehen.

Das Wetter war wie geschaffen für eine solch schwere Wanderung. Der Himmel spannte sich über uns, so blau wie Seide. Die Sonne lachte vom Himmel mit uns um die Wette. Karolin meinte im Bus: „Ei do laafe mer wie die Dippcher“. Wir konnten noch einmal aus dem fahrenden Bus die überaus steilen 6 km vom Vortag in Gedanken nachvollziehen.

Nach kurzer Fahrt waren wir am Ausgangspunkt. Die morgendliche Meditation mitten in einer wunderbaren Bergwelt. Das war schon beeindruckend. Toni hatte das Thema Berge gewählt. Er sprach von der Bedeutung der Berge im alten und neuen Testament. Inmitten einer so grandiosen Bergwelt kann man sich gut vorstellen, dass in der Urzeit die Menschen die Berge als Heiligtümer verehrten, auf denen ihre Götter wohnten. Kurz danach war jeder mit sich selbst und dem steilen Weg beschäftigt.

Immer wieder ging der Blick in die Tiefe bis hin zum Horizont. Die Sicht war einmalig. Die Kameras liefen heiß. Im Wechsel immergrüne Bergrücken mit tiefen Tälern. Wir gingen über saftige Weiden, wo noch an steilsten Hängen Schafe und Rinder weideten. Auch waren da die sogenannten „Pyrenäenpferde“. Kleine, gedrungene, stabile Pferde, angepasst an diese Bergwelt. Dieses Land und auch die Berge mit ihren Hochweiden sind wie geschaffen für die Viehwirtschaft. Nicht alle Wege führten über saftiges Grün. Weite Strecken unseres Weges waren asphaltiert.

Eine erste kurze Rast auf 900 in Höhe. Es ging weiter zur Madonna Vierge d’Orisson. Stetig aufwärts. Vorbei an kleinen, romantischen Gebirgsbächen. Und immer wieder dieses Grün, überall. Hier trafen wir auch wieder auf Manfred.

So gegen 11.00 Uhr, auf einem riesigen grünen Plateau, sahen wir die Statue der Vierge d’Orisson vor uns. In fast allen Kirchen am Wege, so auch manchmal unter freiem Himmel, sangen wir Gotteslob, doch hier in dieser großartigen Bergwelt war es für mich etwas ganz besonderes, die Gottesmutter zu grüßen. Wir sangen das Magnificat und das Salve Regina. Zu diesem Zeitpunkt war da noch eine französische Familie. Sie sangen das Salve Regina in unserer Gruppe mit. Ist das nicht auch eine wunderbare Art der Völkerverständigung?

Auf unserem weiteren Weg über die Pyrenäen hörten wir immer wieder Schüsse, trafen Jäger. Ich hatte den Eindruck, alle Jäger Frankreichs sind auf den Beinen. Hinter kleinen Maueren hockten sie zu viert und zu fünft. Toni fragte einen Jäger: „Auf was schießt ihr denn? Die Antwort: „Auf Schmetterlinge“. Ich glaube, sie hatten es auf unsere Singvögel abgesehen. Um diese Jahreszeit überfliegen sie in Scharen dieses Gebiet.

Kurz vor der Rolandsquelle trafen wir auf einen jungen Franco-Kanadier. Auch er war auf dem Pilgerweg. Freundlich verteilte er an uns Feigen aus seinem Beutel.

Mittagsrast an der Rolandsquelle, am Pass Col de Bentarte. Bernhard kontrollierte den Grenzstein 199 und stellte fest: Wir sind in Spanien. Wir lagerten alle um die Rolandsquelle. Sie erfrischte uns durstige Jakobspilger mit kühlem, klarem Wasser. Vor dem Aufbruch füllten wir noch unsere Wasserflaschen. Von Elizarra aus ging es auf sehr steinigen Wegen weiter bis zum Lepoeder-Pass. Es war 15.00 Uhr, der höchste Punkt war erreicht: 1430 m. Die ganze Gesellschaft war fröhlich und guter Dinge. Zähne putzen war angesagt. Fotoapparate und Kameras wurden gezückt. Noch schnell ein Starfoto in den Pyrenäen.

Jetzt begann ein 20minütiger, sehr steiler Abstieg, Für mich selbst überaus anstrengend. Ich war heil froh, als es unten wieder etwas flacher wurde. Zwei Stunden wanderten wir durch stille, weite Wälder. Gegen 17.00 Uhr Ankunft in Roncesalles. Ein kleiner Grenzort, der im späten Mittelalter für die Jakobspilger eine große Rolle spielte. Hier gab es früher ein Hospital. Über die Geschichte von Roncesvalles klärte uns Beatrix auf. Ein spanischer Junge, der zu unserer Überraschung Deutsch sprach, fotografierte unsere Gruppe. Patetas auf den Lippen sorgte für allgemeine Heiterkeit und für ein entsprechendes Bild. Rasch, noch kurz vor der Schließung, besuchten wir das Museum. Überwiegend sakrale Kunstschätze waren hier zu sehen. Leider war die Zeit zu kurz. Vielleicht haben wir in 1999 die Möglichkeit, dieses Museum ausführlicher zu besichtigen. Abschließend besuchten wir die sehenswerte Klosterkirche. Von besonderer Ausstrahlung war die "Madonna mit Kind unter dem silbernen Baldachin“, Der Kreuzgang war verhüllt, es wurde daran gearbeitet. Beatrix hätte auch hier gerne noch etwas zur Geschichte der Kirche gesagt. Doch der Lärm der Bauarbeiter machte dies unmöglich.

Das diesjährige Etappenziel Roncesvalles in Spanien war erreicht. Gott sei Dank, ging alles ohne größere Blessuren und Knochenbrüche ab. Selbst die Regentage konnten uns die gute Wanderlaune nicht verderben. Müde und „geschafft“ fuhren wir in unser Hotel nach St. Jean-Pied-de-Port. Wir waren froh und glücklich, diese schwere Etappe so gut überstanden zu haben.

Regina

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