Freitag, 15.10.1999 - Heimfahrt von Burgos nach Blois

Es ist ein Morgen, an dem ich gar nicht gerne aufstehe. Ich ziehe mir wieder die Decke über den Kopf, so als ob ich dadurch den Abschied hinauszögern könnte. Wir müssen heute wieder aufbrechen, aber nicht zur nächsten Etappe. Es geht heute nicht mehr mit den gelben Pfeilen auf dem Sternenweg Richtung Westen. In die andere Himmelsrichtung müssen wir, zurück nach Hause. Ich packe die Wanderschuhe ein. Rucksack, Wanderhosen und Anorak brauchen wir auch nicht mehr. Karolins Stöcke, die mir so gute Dienste geleistet haben, gebe ich zurück an Bernhard.

In meiner Reisetasche herrscht ein Chaos. Ähnlich sieht es in mir aus, Wehmut und Melancholie, Abschiedsstimmung! Wieder haben wir eine Etappe unseres Pilgerweges beendet. Wir sind angekommen an dem Ziel, das wir zwei Wochen vor Augen hatten. Und doch wird die Freude gedämpft durch das Abschiednehmen. Wir haben viel Schönes zusammen erlebt, gesehen, gehört. Weit weg von unserem gewohnten Alltag sind wir zusammen durch „dick und dünn“ gegangen. Ein kleines Stück Lebensweg haben wir gemeinsam zurückgelegt. Streckenweise konnte ich gut alleine sein mit meinen Gedanken, Erinnerungen, Träumen, Fragen ... Das geht jetzt alles zu Ende, nichts können wir festhalten. Jetzt heißt es wieder umdenken - zurück in die Realität!

Um ½ 8 treffen wir uns zum Frühstück. Unsere Autos werden aus der hoteleigenen Garage gebracht. Wir verladen unsere Koffer. Seitlich vom Hotel „Meson del Cid“, in dem wir dreimal übernachtet haben, warten wir in unseren vier reisefertigen Autos auf Beatrix, die unsere gemeinsame Hotelrechnung bezahlen wird. Es gibt „Zahlungsschwierigkeiten“ im Hotel. Die Kreditkarten von Beatrix und Toni werden vom Computer nicht akzeptiert. Schecks werden zunächst abgelehnt. Unser Bargeld genügt nicht zur Zahlung unserer Schulden. Bernhard, Manfred und Walter fahren schon mal los mit ihren Autos. Wir müssen warten. Beatrix und Toni dolmetschen, verhandeln, telefonieren, beratschlagen - was können wir tun? Letztendlich ist das Hotel doch bereit, Euro-Schecks anzunehmen. Eine Menge Zeit ging uns verloren. Unsere Vorhut hat schon ein gutes Stück der Strecke zurückgelegt.

Per Handys verständigen sich Beatrix und Manfred miteinander, wir können uns nicht verlieren. Manfred hat bereits für uns alle Zimmer gebucht, als er uns am Nachmittag auf einem Rastplatz vor Blois in Frankreich erwartet und mit uns zum Hotel Ibis fährt, wo wir unsere restliche Pilgerschar treffen. Nach dem Abendessen sitzen wir noch eine Weile zusammen und lassen die Erlebnisse der vergangenen zwei Wochen an uns vorüberziehen. Wisst ihr noch: Die Alemanos und die „Pumpe“ ihres Opels, der Pfarrer von Obanos mit „Wilhelm“, Mercedes aus Los Arcos, die herrlich reifen Trauben im Rioja-Tal, der Nebeltag in den Oca-Berge, der Duschvorhang im Hostal in Santo Domingo, der zwölf mal krähende Hahn in der Kathedrale Santo Domingos, tendenziell abwärts, que Tonteria. Genug, jetzt aber schnell ab in die Federn! All diese Erinnerungen, Begegnungen mit Menschen, Bauwerken, Landschaften können auch auf Distanz froh machen - ab morgen wieder zu Hause.

Brigitte

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