Freitag, 13.10.2000 -
Von Bordeaux über Amboise nach Orléans
Das war meine erste Nacht in einem B+B Hotel, und sie war gar nicht so übel - bis auf die etwas komplizierten
Zimmer Code Nummern und die etwas seltsame Tischordnung beim Frühstück. Doch Manfred, der das alles gemanagt hat,
ist in seinem Element: er rekapituliert noch einmal alle Stationen seiner Vergesslichkeit und organisiert
gleichzeitig beim Manager höchstpersönlich eine spezielle Hotelführung; darüber vergisst er glatt seine Jacke
im Frühstücksraum .... Oh Manfred .... wo wird das nur enden?
Die Fahrt von Bordeaux nach Amboise verläuft ohne Zwischenfälle, über viel Autobahn und vorbei an viel Gegend
die besonders von mir bei geschlossenen Augen nicht recht wahrgenommen wird. Als wir in Tours die Autobahn
verlassen, werde ich rechtzeitig wach. Das letzte Stück Straße nach Amboise legen wir entlang der Loire zurück.
Als sich eine geeignete Stelle für einen Fotostop bietet, halten alle Autos kurz am Loireufer an.
Der Blick auf das Schloss ist mehr als ein Foto wert. Aber noch lieber hätte ich in einem der zahlreichen
Weinkeller angehalten, um den guten Loire-Wein und -Sekt zu probieren. Doch heute hat die Kultur Vorrang vor
Frankreichs Küche. Da muss sogar das Mittagessen zurückstehen.
Auf dem kurzen Stück zwischen Loirebrücke und Schloss verlieren wir die beiden nachfolgenden Autos. Manfred
sucht eine Lücke in der Einbahnstraße und wartet, damit ich Toni und Wolfgang suchen kann. Die haben bereits
einen Parkplatz gefunden und die Wagen eingeparkt. Wir stellen Manfreds Wagen auf dem Schlossparkplatz ab und
treffen uns alle am Eingang wieder, um zuerst das Schloss zu besichtigen. Eine deutsche Führung gibt es zwar
nicht, aber wir können an der französischen teilnehmen, die gerade in der Hubertuskapelle begonnen hat. Dort
befindet sich auch die letzte Ruhestätte von Leónardo da Vinci, ganz unauffällig und leicht zu übersehen, wenn
man nicht bewusst danach Ausschau hält. Da die Führung sehr langatmig ist, bleibt kaum Gelegenheit zum
Übersetzen. Doch ich finde die Erklärungen recht interessant und auch sehr amüsant und möchte weiter zuhören.
Den anderen dauert das alles etwas zu lange, zumal es schon früher Nachmittag ist. Sie ziehen eine kleine
Stärkung des Magens vor, und am Fuße des Schlossberges finden wir uns alle wieder.
Bis nach Orléans, wo meine
Freundin Anita sich um Hotel und Restaurant gekümmert hat, sind noch etwa 100 km zurückzulegen. Über die
Autobahn läuft es besser als erwartet, und im Dreierkonvoi schlängeln wir uns durch den dicksten
Feierabendverkehr, am Reiterstandbild der Jeanne d'Arc vorbei und über die Fußgängerzonen von Orléans bis
direkt vor unser Hotel, das mitten in der Altstadt liegt. Die Geschäfte sind noch geöffnet, die Kathedrale
"Sainte Croix" auch, jedoch nur bis 18 Uhr und wir werden auf sehr unelegante Art und Weise hinauskomplimentiert.
Die Zeit hat noch nicht einmal ausgereicht, um die 10 Glasfenster mit den Szenen aus dem Leben der Jeanne
d'Arc anzuschauen. Die Architektur jedoch erscheint mir bei weitem nicht so spektakulär wie die der meisten
anderen gotischen Kathedralen Frankreichs. So machen wir uns auf, weitere Spuren der Jungfrau von Orléans
in der Stadt zu suchen. Wir bummeln gemütlich durch die Straßen, vorbei an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten
wie dem Hotel Groslot, dem Beffroi (einem Stadtturm aus dem 15. Jahrhundert), dem Haus, in dem Jeanne d'Arc
von April bis Mai 1429 gewohnt hat und zurück zur Place Martroi mit ihrem Reiterstandbild. Etwas enttäuscht
bin ich schon von dieser Stadt, die ich mir ganz anders vorgestellt habe.
Zurück im Hotel versammeln sich einige Herren der Schöpfung an der Hotelbar, während sich die Damen für den
Restaurantbesuch in Schale schmeißen. Pünktlich zum Aperitif trifft dann auch meine Freundin Anita ein, die
ich das letzte Mal vor zwei Jahren gesehen habe, als wir in Olivet unsere letzte Übernachtung der Etappe 1998
hatten. So kommt nach dem ausgiebigen Aperitif meine Abendtoilette etwas zu kurz und ich zu spät zum Treffen
in der Hotelhalle. Doch zum Restaurant ist es nur ein Katzensprung, und der Blick auf die beleuchtete Kathedrale
bereits ein Hochgenuss. Der wird allerdings von der Küche und dem Weinkeller des Hauses noch bei weitem in den
Schatten gestellt. Nicht nur die Kochkunst der Franzosen ist eine ernst zu nehmende Konkurrenz für die Spanier,
denn es heißt nicht umsonst "Leben wie Gott in Frankreich"! Es war ein wunderschöner Abend, der meine
Enttäuschung über die Stadt schnell hat vergessen lassen, und erst recht ein würdiger Abschluss für unsere
diesjährige Etappe.
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