Sonntag 8.10.2000 - Von León nach Villadangos del Paramo (21,8 km)

Ein schöner Frühstückstisch! Das wirkt sich augenblicklich auf unsere Stimmung aus. Probleme gibt es nur für die (kultur- ) hungrigen Pilger, die sich entschlossen haben, León noch einen Tag länger zu erforschen. Toni Verzeihung: El Chefe, Beatrix, Brigitte und Wolfgang müssen nun allerdings der schwierigen Frage ins Auge sehen: "Was trägt der Pilger am Sonntag?" Aber das ist nicht das Problem der wandernden Pilgerschar. Nach dem Frühstück werden zunächst einmal Koffer und Taschen zu den Autos gebracht, die in der Nähe im Parkhaus stehen. Zur Meditation verabreden wir uns an diesem Morgen in der Basilika oder war es doch die Kathedrale? Jedenfalls ist uns dieses Problem, Basilika oder Kathedrale, nicht zum ersten Mal begegnet! Es bestehen allerdings berechtigte Hoffnungen, dass wir eines Tages vielleicht doch einmal den Unterschied kapiert haben werden. Nachdem jede Gruppe eine Zeitlang in der Basilika / Kathedrale gewartet hat, kommen wir aufeinander zu und begegnen uns intensiv in der Mitte, wodurch nun für alle Zeit sämtliche Klarheiten beseitigt sind, bzw. Gesprächsstoff auf Jahre hinaus gesichert ist. Die Kunstfreunde machen sich jedenfalls auf, León näher zu erkunden und die Wanderer nehmen die Spur des Jakobsweges (an der Basilika) erfolgreich wieder auf.

Wir stellen fest, dass die gelben Markierungen dünn gesät sind. Aber wir haben ja Übung mit so etwas. Der Weg bis zum Fluss ist nicht sehr weit und wir erreichen schließlich ein riesiges prachtvolles Gebäude, das frühere Kloster und Hostal San Marcos. Die Morgensonne unterstreicht den Blick auf die großartige Fassade. Beim Vorbeigehen stelle ich fest, dass hier das Parador untergebracht ist, das Hotel, das Beatrix ursprünglich für uns buchen wollte. Direkt dahinter überqueren wir die Puente de San Marcos und damit den Rio Bernesga. Wir bewegen uns jetzt schon in den Außenbezirken. Unterwegs versorgen wir uns mit Wasser und Brot was will der Pilger mehr? Nach einer halben Stunde beginnt der Anstieg, der uns hinter der Stadt wieder auf die Hochebene führen wird. Ich lasse mir ein wenig Zeit, um auf Stadt und Kathedrale zurückzublicken. Es ist 10 nach Elf. Etwas weiter unten hat Regina bei einem Paar angehalten und antwortet geduldig die Fragen nach dem Woher und Wohin. Es lebe die deutsch-spanische Freundschaft!

Eine weitere halbe Stunde später sind wir in Virgen del Camino. Die Straße steigt noch immer leicht an. Bald erreichen wir das Sanctuarium der Schutzpatronin Leóns. Es ist ein großer moderner Kirchenbau. Die Leute strömen gerade heraus, wir sind zwischen zwei Gottesdiensten angekommen. Im gedämpften Licht des Innenraums wirkt der barocke Altar fast überirdisch schön. Draußen bewundere ich die stilisierten Bronzestatuen der Fassade. Der schlanke, schräg in den Himmel weisende Turm dagegen erinnert mich sehr an ein Wahrzeichen eines Flugplatzes. In der Buchhandlung an der Kirche holen wir uns den Pilgerstempel. Kurz nach 12 ziehen wir weiter. Der Weg geht zunächst neben der N 120 her. An einer Weggabelung, beide Wege sind gelb ausgewiesen, nehmen wir den Weg nach rechts, denn die Variante würde einen großen Umweg bedeuten. Wir umgehen bzw. unterqueren die Autobahnausfahrt (13.04 Uhr). MADRID lese ich auf einem Hinweisschild.

Bald sind wir wieder auf der Hochebene und der Blick nach hinten fällt noch immer auf den Turm des Sanctuariums. Zur Rechten rückt das schon vertraute Kantabrische Gebirge immer näher. Wir sind eine Weile etwas von der Hauptstraße weggekommen, kehren aber dann bei einer Ansammlung von Häusern wieder zu ihr zurück. Große Villen liegen da, gesichert durch hohe Zäune. In Valverde de la Virgen machen wir hinter der Kirche im Schatten unsere Mittagspause. Es gibt heute Originalton Edgar Paniermehl am Stück, ‚Huwwelspän'-Teig, garantiert drei Monate haltbar und Pilgerbier, frisch aus der Fuente de la Hostal und dazu aldi Salami.

Auf die nächste Etappe sind wir besonders stolz. 3 km sind angegeben für den Weg von Valverde bis San Miguel. Wir benötigen gerade mal 20 Minuten. In San Miguel besorgen wir uns einen weiteren Pilgerstempel. Ohne die geistliche Führung dauert es etwas länger, so dass Walter und ich gezwungenermaßen zwei Kaffe zu uns nehmen müssen. Hinter dem Dorf erwartet uns ein wenig Negativgefälle. Auf der Anhöhe schaue ich noch einmal zurück zur weit hinter uns liegenden Bergkette. Kurze Zeit später können wir wieder auf einen Schotterweg neben der Nationalstraße einbiegen. Um uns herum breitet sich erneut die öde Hochfläche aus - ca. 900 m Meereshöhe. Grüne Flecken gibt es hier und dort, meist kleine Bäume oder Sträucher, etwas weiter Getreide, ganz zu Boden gedrückt. Wieder erreichen wir eine kleine Anhöhe und noch einmal kann ich zum Sanctuarium zurückblicken. Vor uns am Horizont erhebt sich eine Bergkette, die wir wohl überqueren müssen. Das flache Gelände wird jetzt durch Bäume eingegrenzt und etwas links von uns, das muss Villadangos sein! Plötzlich säumen auch wieder junge Platanen unseren Weg. Nach einem weiteren Kilometer haben wir den Grüngürtel erreicht. Er ist nicht so dicht, wie es aus der Ferne aussah, sondern durchsetzt von Ödland und Anbau. Kurz vor 4 Uhr, völlig überraschend, taucht vor uns unser Hotel auf. Ja, es ist das Avenida III. Gerade noch können wir unsere Spitzengruppe davon abhalten, daran vorbeizulaufen.

10 Minuten später sind wir auf unseren Zimmern. Sie sind groß und gemütlich. Walter hat alles routiniert gemanagt. Wohl dem der der Sprache mächtig ist! Das Hotel liegt fast 2 km vor dem Ort. Für heute haben wir die Strecke gespart, aber abgerechnet wird morgen. Bald treffen auch die Gefährten aus León ein. Gemeinsam fahren wir mit den Autos nach Villadangos, um die Kirche zu besichtigen, die eine gewisse Berühmtheit wegen einer Matamoros-Darstellung des Jakobus hat. Unentschlossen stehen und schauen wir herum, bis Beatrix uns den Weg weist. Die Kirche liegt etwas abseits und wirkt anziehend durch den malerischen Turm und seine Fassade. Wir sind enttäuscht die Tür ist abgeschlossen. Wie schon so oft macht Beatrix den Pastor ausfindig. Freundlich und geduldig erklärt dieser uns das Portal der Kirche und den Altar mit der berühmten Statue. Tonis heutige Meditation Begegnungen umfasst Eindrücke aus 6 Jahren Wanderschaft und bewegt mich sehr. Den Anderen geht es offensichtlich genauso. Der spanische Pastor ist sichtlich stolz darauf, dass er als Komponisten eines unserer Taizé-Sätze Johann Sebastian Bach erkennt. Er selbst erinnert uns an die Pilgerstempel und lädt uns ein, ihn deshalb ins Pfarrhaus zu begleiten. Drei deutsche Pilger, Langstreckler, die während Besichtigung und Meditation sich angeschlossen haben, kommen auch mit. Sie erfahren offenbar erst durch uns, dass der Pilgerweg noch andere Dinge umfasst als das reine Laufen. Nach einem Foto vor dem Pfarrhaus verabschieden wir uns herzlich von dem freundlichen Herren.
Villadangos - Besuch beim Pfarrer
Die Suche nach einer Bar in Villadangos, um die Zeit zum Abendessen zu überbrücken, wird erfolglos abgebrochen. Die Entscheidung, ins Avenida II zu gehen, wo wir ohnehin unser Abendessen erhalten sollen, erweist sich als Volltreffer. Während Toni und Manfred ein Auto nach Astorga bringen, damit wir morgen sofort losgehen können, lassen wir uns an der Theke von freundlichem Personal verwöhnen. Neben Getränken versorgen sie uns ohne jede Aufforderung mit Tartes, Oliven, Nüssen und Chips. So kann man es aushalten! Beim Abendessen welch ein Unterschied zu Sahagún wird die Stimmung weiter gesteigert. Personal und Chef scheinen sich an unserer guten Laune mitzufreuen. Ihre Versuche, vorhandene Deutschkenntnisse anzubringen, werden von uns ausgiebig honoriert. Unsere Gastgeber übertreffen alles Dagewesene: allein sieben verschiedene Auswahlmöglichkeiten für den Hauptgang. Und dann dieses schwarze Zeug zum Abschied!

Bernhard

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