Gedanken auf dem Jakobsweg
Einleitung zur Messe
- in der Klosterkapelle der Abtei St. Benoit-sur-Loire
Ja, wir sind auf dem Heimweg, und wir treffen uns noch einmal, weil unser Weg ein Profil hat, und zu diesem
Profil gehört es, dass wir unterwegs sind und nicht ziellos sondern zielorientiert, und dass wir wissen, Einer
ist unser Weggefährte, unser Wegbegleiter; Einer ist es, der bei Tag und bei Nacht Hand über uns hält und der
es gut mit uns meint, und der auch dann, wenn wir meinen, ins tiefe, schwarze Loch zu fallen, noch für uns da
ist. Deshalb wollen wir nun miteinander Eucharistie feiern, Danksagung halten, und ihm sagen: Hier bin ich,
mit meinen Hoffnungen, meinen Enttäuschungen; hier bin ich mit meinen überflüssigen Worten, und mit den Worten,
die ich nicht gesprochen habe. Hier bin ich mit meinen müden Füßen, mit meinem wachen Herzen. Hier bin ich,
mit all dem, was ich erlebt habe in diesen Tagen, was mir im Kopf und im Bauch ist, wovon ich spreche und wofür
ich danke. Hier bin ich, Herr, und zu Dir rufe ich. Wie das Volk dem Kaiser in Rom zugejubelt und zugerufen
hat: Erbarme Dich, schau auf mich, so rufe auch ich.
Predigt
Wir sind heute Morgen aufgebrochen nach Hause. Aufs erste Hören kommt das einem Gegensatz gleich: Nach Hause
aufbrechen. Das sind wir doch. 14 Tage waren wir jetzt unterwegs und seit vorgestern Morgen sind wir unterwegs
nach Hause. In all den Tagen zuvor sind wir weiter weg gegangen von zu Hause. Wir sind auch jeden Tag, obwohl
wir wussten wo wir den Tag beenden würden, in ein Stück Ungewisses gegangen, in ein Stück Neuland; fremde Wege.
Wir haben uns an einen Tisch gesetzt, den andere Leute uns gedeckt haben, wir haben uns in ein Bett gelegt, in
dem in der Nacht zuvor jemand anderes lag, und in der Nacht nach uns wieder ein anderer, eine andere lag. Wir
haben uns an einen Tisch gesetzt, der nicht der unsere war, der uns angeboten, ausgeliehen war für eine kleine
Weile. Wir waren unterwegs. Wir haben ein Stück Ungesichertheit erfahren, erlebt; auch ein Stück Gastfreundschaft
haben wir erlebt, erfahren; wir haben auch ein Stück Fremdheit erlebt. Wir sind noch im Ausland, und waren
weiter im Ausland. Daher kommt übrigens auch unser deutsches Wort Elend; eine Ableitung von Ausland. Jetzt
kehren wir zurück nach Hause. Die Franzosen sagen chez moi. Dort, wo unser Bett steht, unser Tisch, unser
Herd. Dort wo wir ein Dach, unser eigenes Dach über dem Kopf haben; dort, wo wir uns zurechtfinden; dort,
wo wir nicht nur aus dem Koffer zu leben brauchen und aus der Reisetasche; dort, wo wir jeden Weg und jeden
Winkel kennen; dort, wo wir eben zu Hause sind. Und das ist noch mehr als eine Einrichtung; dort, wo die
Menschen sind, mit denen wir häufig, immer wieder zusammen sind; die eigene Familie, die Nachbarn, die
Gemeinschaften, mit denen wir eingebunden, mit denen wir verwurzelt sind. Dort, wo wir nicht mehr in der
Fremde sind, sondern chez moi - zu Hause. Es hat in diesen Tagen auch schon, ich nehme an, auch bei Euch,
schon so das Wort gegeben: "Gut, wenn wir wieder zu Hause sind." Vierzehn Tage ist eine Zeit, die reicht.
Und jetzt haben wir wieder die Sehnsucht im Herzen, nach Hause zu kommen. Vierzehn Tage draußen und viel,
viel Zeit zu Hause. Vielleicht ist das auch ein Zeichen, wo unser Herz hinneigt, hinschlägt; wo es hin
unterwegs ist, wo wir die Ruhe, die Geborgenheit, die Sicherheit finden, haben möchten, erwarten; dass das
etwas ist, wo wir hin unterwegs sind. Goethe spricht in seinem großen Faust von dem unbehausten Menschen,
der immer unterwegs ist, den es nirgendwo hält. Augustinus spricht von dem Herzen, das unruhig ist, bis es
Ruhe findet in Dir, bis es in Gott, könnte man es für uns heute übersetzen, zu Hause ist. Auch unser Zu
Hause, wann immer wir über die Türschwelle gehen, ist ein Zeichen dafür, ich bin nicht der ewig Unbehauste,
ich bin nicht der Mensch, der ewig unterwegs sein muss; ich bin ein Mensch, der eine Weile unterwegs ist um
dann zu Hause zu sein; um dann endgültig bei Gott zu sein; um dann endgültig den Frieden, die Erfüllung
allen Suchens zu finden; um dann in Gemeinschaft zu sein mit denen, die ich mag und die mich mögen.
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