Gedanken auf dem Jakobsweg

Die Lasten des Weges tragen - In den Weinbergen bei Pieros

Wir haben uns gestern auf den Weg gemacht, und wir sind heute schon auf dem Weg, und wir spüren heute schon die Lasten des Weges. Manche haben zu uns gesagt, als wir in den letzten Tagen vom Jakobsweg erzählt haben: "Oh toll, da möchte ich auch mitgehen." Ich war immer ein bisschen skeptisch, denn es ist ja nicht nur der Weg ins Freie, ein Stück Leben, ein symbolisches, es ist ja auch das Symbol der Last.

Zuerst denkt man natürlich an den Rucksack, in dem das Notwendige drin ist, oder auch das Überflüssige. Da beginnt man es zu tragen, was möglicherweise zu viel ist. Am Abend denkt man darüber nach; wird morgen nicht mehr mitgeholt. Und dann, wenn einem ein Mensch begegnet, wie jener von Blieskastel, der seit drei Monaten unterwegs ist, nur mit dem Rucksack, mit wie Wenigem kommt man zum Leben aus. Wir nehmen unsere Lasten mit; es ist zuerst die Last des Rucksacks, es ist die Last der müden und wehen Füße, es ist die Last von Durst, es ist die Last von Schweiß, es ist manchmal auch die Last des Weges, heute ganz besonders spürbar, die lange Stadt, die lange Landstraße mit all dem Verkehr. Ja, man kann es sich nicht aussuchen. Nur ab und zu; nur dies oder jenes können wir uns aussuchen. Vieles ist uns gegeben. In Vieles sind wir hineingestellt. Auf viele Wege sind wir draufgesetzt und wir müssen sie gehen. Und wir müssen sie gehen! Man kann ab und zu ruhen und rasten, aber wir dürfen nicht sitzen bleiben. Wir können ab und zu zurückschauen, aber wir müssen nach vorne gehen. Wir müssen den Weg mit seiner Last annehmen. Das Leben mit seiner Last.

Manchmal schnüren wir uns die Lasten selbst, wenn wir uns den Rucksack packen. Manchmal werden sie uns gegeben, und wir müssen uns damit herumschlagen und quälen. Manchmal sind wir uns selber zur Last, manchmal sind uns unsere Allernächsten zur Last, und wir ihnen. Aber nur so geht das Leben. Man kann nicht einfach in die Wüste gehen, in die Einsamkeit als Eremit. Das ist eine besondere Berufung. Unsere Berufung und unser Auftrag ist, miteinander zu gehen und miteinander die Lasten zu tragen, und ab und zu auch anderer Leute Last zu tragen - wie es der Edgar in diesen Tagen tut - und wie wir es manchmal auch gegenseitig so tun. Das ist ein Stück vom Leben, dass wir manchmal sogar doppelte und dreifache Last tragen müssen. So ist das Leben.

Wir gehen in diesen Tagen ein symbolisches Stück davon. Zu überlegen bleibt, welche Lasten ich trage, die ich mir selber aufgeladen habe, die mir aufgeladen wurden, wie sinnvoll ich damit umgehe, ob ich daran wachse, ob ich mich von den Lasten erdrücken lasse. Ich muss sie nicht begeistert tragen, aber mit Zuversicht bis ans Ziel, diesmal in Santiago.

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