Gedanken auf dem Jakobsweg

Musik aus starrem Gestein - In der Kathedrale St. Etienne in Bourges

Wir waren sieben Jahre unterwegs, wir haben in diesen Jahren ungezählte große und kleine Kirchen gesehen. Angefangen haben wir in Le Puy, in der Notre Dame. Im zweiten Jahr in der Michaelskapelle, der Nadelspitze. Ich darf erinnern an so große Kirchen wie Conques, mit ihrer Botschaft; an Cahors, an Moissac, an Condom, an Éauze, an Pamplona, an St. Jean-Pied-de-Port, Logroño, Burgos, Leon, Santiago, Oviedo, und jetzt auch hier, um nur einige genannt zu haben, die großen. Es waren auch viele kleine dabei, die wir besucht haben, die wir haben auf uns einwirken und sprechen lassen, denen wir zugehört haben. Denn alle Kirchen haben ihre Botschaft, haben eine Botschaft, haben ihre Botschaft. Die Botschaft der Architektur, die in der Gotik heißt: Mensch du stehst mit beiden Füßen auf der Erde, aber mit deinem Kopf, mit deinen Gedanken, mit deinem Herzen bist du vom Himmel gerufen. Schau hinauf. In der Romanik heißt es: Komm hinein, hier bist du in Sicherheit. Die im Barock heißt: Komm her und lass dich vom Licht ganz umfangen. Die Architektur hat eine Botschaft; auch die schlanken Säulen in dieser Kirche. Wir haben eben von den 21 Metern Höhe gehört. Und die Fenster haben ihre Botschaft. Und die Statuen haben ihre Botschaft, und wir müssen sie von Neuem hören, sehen und verstehen. Es ist so ähnlich wie in der Musik; da sind die Noten aufgeschrieben, aber nur wer es kann, der kann sie auch interpretieren, der kann sie zum Klingen bringen. Wir müssen sehen lernen, in der Architektur, in der Kunst. Wir müssen hören lernen, wir müssen verstehen lernen, mit dem Herzen. Es sind riesige, gewaltige Botschaften, die uns über Jahrhunderte gesagt werden. Die uns gesagt werden, die wir sie anschauen. Nicht nur zum Zeitvertreib, nicht nur zur Ästethik, sondern vor allem Stein gewordener Glaube, an dem Menschen gearbeitet haben; entworfen, geopfert haben. Zu dem Menschen gerufen wurden, sich haben einladen lassen. Über Jahrhunderte. Wieviele Generationen waren es, die darin Mut zum Leben, Mut zum Glauben fanden; die darin eine Heimat fanden. Hier bin ich zu Hause. Gott lädt mich ein zu sich in sein Haus. Haus Gottes und Haus der Gemeinde. Manchmal sehen sie aus wie große Gebirge; die Kathedralen. Wie riesige Steinhaufen. Aber sie haben eine Ordnung. Und weil sie eine Ordnung haben, sind sie schön. Kosmos sagten die Griechen für beides. Und wir müssen in den Statuen und in den Fenstern und in der Architektur immer mehr sehen als die Gesetzmäßigkeiten der Zeit, als ein Kanon der Kunst. Es sind immer steingewordene Gedanken, steingewordener Glaube. Es ist immer dem Augenblick des Geschaffenseins Dauer verliehen. Nicht nur über ein paar Jahre, sondern über Jahrhunderte. Und das ist das Besondere. Es ist überzeitlich Gültiges dabei geworden, entstanden. Kultur kann man dafür sagen. Und nur wenn wir die Botschaft, die enthalten ist, noch einmal verstehen, haben wir den Anschluss an unsere alte Kultur; von der Bibel her ist sie zu verstehen.

Ich habe noch einen Text, der zu Santiago geschrieben ist, der aber auch hierhin passt, und fast möchte ich sagen, in jede Kathedrale.

Musik aus starrem Gestein - vor dem Portico de la Gloria in Santiago

Von dem Kirchenvater Augustinus stammt das Wort:

Sagen können wir es nicht; Schweigen dürfen wir nicht, also lasst uns singen.

Manchmal fangen die Steine zu singen an. Wir müssen still werden, um sie zu hören. Immer wieder schauen. Immer wieder Neues entdecken im Antlitz dieser steinernen Gestalten. Der lächelnde Daniel; der strahlende Johannes. Und die vielen anderen Boten; bereit für den großen himmlischen Jubelchor, in den sie einfallen werden mit ihren Stimmen und Instrumenten.

Gott und Herr. Diesen Worten, diesen Klängen wollen wir uns anvertrauen. Dass wir Deine Stimme und die Stimme Deiner Engel vernehmen und weiterklingen lassen in unserem Leben; in unserer Welt. Dass auch Menschen um uns herum Dich vernehmen können und einstimmen in den Jubelgesang zu Deinem Lob.




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