Mittwoch, 10.10.2001 - Von Santiago nach Oviedo

Zum Frühstück kann heute jeder erscheinen, wann er möchte, denn der Vormittag steht jedem zur freien Verfügung. Bis 12 Uhr müssen die Zimmer geräumt sein; solange kann jeder tun und lassen, was er möchte, sei es ausschlafen, lange frühstücken, im Hotelpool schwimmen, Postkarten kaufen und schreiben oder Souvenirs besorgen. Lange schlafen war nicht angesagt, denn fast alle finden sich schon recht früh im Speisesaal ein, um das Frühstück richtig genießen zu können und doch noch ein wenig Zeit für die Stadt zu haben. Regina und Walter sind kurz nach 9 Uhr ganz erstaunt, dass sie nicht die ersten sind.

Auf meinem Weg in die Stadt treffe ich Karin und Karolin vor den Schaufenstern, in der Kathedrale begegne ich Bianca und Karina, die sehenswerte Krypta schauen sich mit mir noch Bettina und Bernhard an, und Toni findet wie ich den Weg in den wunderschönen Kreuzgang, für den wir allerdings Eintritt bezahlen müssen. Die Zeit drängt: ich möchte noch einige Fotos machen, Postkarten kaufen und von der köstlichen Mandeltorte einen kleinen Vorrat anlegen, zum Verschenken natürlich. Mein Koffer ist noch nicht ganz gepackt und die Hotelrechnung noch zu zahlen ..... Wie vereinbart können wir um 12 Uhr das Gepäck verladen und kurz darauf nach Oviedo aufbrechen. Bevor es endlich losgehen kann, beratschlagen die Fahrer noch, an welcher Tankstelle wir uns wieder treffen wollen. Über die Autobahn kommen wir schnell aus der Stadt und ein gutes Stück voran gen Norden, Richtung A Coruna. Ich erhole mich während der Fahrt ein wenig von dem voll gepackten Morgen und betreibe "Augenpflege" auf dem Beifahrersitz. An der vereinbarten Raststelle angekommen, warten drei Autos lange doch vergeblich auf Walter und sein MercedesTeam; dank Handy (was haben wir nur in all den Jahren ohne Handys gemacht?) erfahren wir, dass sie auf der anderen Straßenseite genauso vergeblich auf uns warten.

Nach der Tankstellen-Picknick-Pause geht es an der "Costa Verde" Küste entlang weiter. Hin und wieder eröffnet die Straße schöne Ausblicke auf Buchten und das Meer. Die Getreidespeicher, "horreos" genannt, sehen hier ganz anders aus, als wir sie von unseren letzten Tagesetappen in Erinnerung haben. Sie stehen nicht mehr auf massiven Sockeln, sondern je nach Größe auf 6 bis 8 schlanken Säulchen, die unter dem Gewicht der Stein-Häuschen fast zusammenzubrechen drohen. Und anstelle der eckigen Platten finden wir hier als "Mäuse-Barriere" runde Steine dazwischen, die eher an Mühlsteine erinnern.

Die Suche nach einer schönen Buch mit Strandcafé, wo wir eine Nachmittags-Kaffeepause einlegen könnten, gestaltet sich schwieriger als gedacht und endet schließlich in einer Sackgasse. Ohne Vorankündigung hindert uns eine Barriere am Weiterfahren, und alle 4 Autos stellen mal wieder perfekte Wendemanöver unter Beweis. Doch Toni ist sauer.

Meinem Vorhaben, nun ohne Kaffeepause direkt nach Oviedo durchzufahren, kommt Brigittes Handy in die Quere. Wolfgangs Magen macht wieder Probleme und braucht dringend eine Pause, sprich eine Toilette. An der nächsten Autobahnraststätte halten wir, und Wolfgang ist nicht der einzige, dem dieser Stop gelegen kommt. In der Zwischenzeit hole ich den Stadtplan von Oviedo und die Anfahrtsskizze zum Hotel aus dem Kofferraum, damit die Fahrer eine grobe Richtung bekommen. In Oviedo angekommen, verlieren wir prompt im zweiten Kreisverkehr das vierte Auto: Gert, der die kurze Besprechung wohl abgespeichert oder mental mitgeschnitten hat, lenkt Tonis Vectra direkt vor das Hotel. Damit haben wir natürlich nicht gerechnet; stattdessen versuchen wir, Gert über Handy zu erreichen: keine Verbindung. Nach langem Warten beschließen wir, zum Hotel zu fahren. Ein netter Polizist kommt uns zu Hilfe und erklärt uns den kürzesten Weg durch die vielen Einbahnstraßen, die in natura ganz anders verlaufen als im Stadtplan eingezeichnet. Bei dem verlorenen Auto kann er uns jedoch nicht weiterhelfen. Als wir das Hotel schon vor uns sehen, ruft Gert uns endlich an; er hatte sein Handy die ganze Zeit ausgeschaltet und zudem im Rucksack im Kofferraum deponiert.

Im Hotel erwarten uns dann die nächsten Pannen: es gibt kein Abendessen für uns, obwohl Halbpension gebucht war; wir müssen uns selbst um ein Restaurant kümmern; die deutsch sprechenden Damen an der Rezeption geben uns die Auskunft, dass die Kathedrale bis 20 Uhr geöffnet sei; kurz darauf stellt sich heraus, dass sie jedoch schon um 19 Uhr schließt. So bekommen wir die berühmte Cámara Santa, eines der wenigen sakralen Bauwerke Spaniens aus dem 9. Jahrhundert, leider nicht zu Gesicht. Es bleibt nur Zeit, einen flüchtigen Blick ins Innere der für den spätgotischen Flamboyantstil charakteristischen Kathedrale zu werfen, das zudem wegen Restaurierung größtenteils verhängt ist. Wir müssen uns daher mit dem Außenbau begnügen, der im 16. Jahrhundert fertiggestellt wurde; interessant sind vor allem die geschnitzten Türflügel des Hauptportals aus dem 18. Jahrhundert, auf denen die Hl. Eulalie im Maisfeld zu sehen ist. Das lässt bei mir die ein oder andere Erinnerung an die Maisfelder unterwegs aufkommen.

Die Zeit bis zum Abendessen überbrückten die meisten mit einem Bummel durch die Altstadt, die wir uns nicht so schön vorgestellt hätten. Vorbei an der Kirche San Tirso, deren Chor noch aus dem 9. Jahrhundert stammt, gehen wir durch die Rua San Antonio, vorbei am Museum für asturische Kunst, bis zur alten Universität. Zum Abendessen treffen wir uns in einem Fischlokal in der von "siderias" nur so wimmelnden Altstadt; dass in Oviedo gerne "Cidre" getrunken wird, kann man zu vorgerückter Stunde sogar riechen. Kaum sitzen wir an der großen Tafel, fängt Biancas Magen an verrückt zu spielen, und so zieht sie es vor, in Wolfgangs Fußstapfen zu treten und den Abend bei trockenem Brot im Hotel zu verbringen. Bis mittels spanischer und englischer Speisekarten alle Bestellungen aufgenommen sind, vergeht eine geraume Zeit. Die wird von Toni und Manfred dann noch getoppt, da sie unbedingt Paella essen wollen, deren Zubereitung mindestens eine halbe Stunde in Anspruch nehmen wird. Ihre Geduld wird dann aber auch entsprechend entlohnt.

Das dicke Ende des Abends ist mal wieder die Rechnung, die wie wir in Spanien schon so oft erleben mussten nur en bloc, für alle zusammen ausgestellt wird. Unsere Mühe des Auseinadertüftelns dankt der Kellner dafür mit einem Schnaps. Der Rückweg zum Hotel ist nicht weit; einige gehen direkt dorthin, doch Karin, Bernhard, Gert und ich machen noch einen kleinen Schlenker zur herrlich beleuchteten Kathedrale, bevor auch wir uns im feudalen Hotel Regente zur Nachtruhe legen.

Beatrix

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