Donnerstag, 1. September 2011 |
Heute habe ich nur eine Mini-Etappe vor mir, nur 13 km sind es bis nach Clairvaux. Ich kann nach der
langen gestrigen Etappe ein wenig ausschlafen, Frühstück gibt es auf der Terrasse. Mein Gepäck kann
ich im Hotel lassen, während ich die vor einigen Jahren neu errichtete, dem großen General gewidmete
Gedenkstätte besuche.
"Bereits 1945 glaubte ich, Möglichkeiten der Verständigung mit Deutschland zu erkennen, die es in der Vergangenheit bisher nicht gegeben hatte. Auch bei unseren Soldaten schien sich dieses Gefühl auszubreiten. Der Rachegeist, der sie anfänglich beseelt hatte, schwand mit jedem Schritt auf dieser zermalmten Erde. Heute sehe ich ihr Mitleid angesichts des Elends der Besiegten." Charles de Gaulle Memoiren Band 3 Le Salu |
Einen breiten Raum nimmt die Dauerausstellung zur deutsch-französischen Annäherung und Freundschaft
unter de Gaulle und Adenauer ein. Besonders berührt mich de Gaulles Rede an die deutsche Jugend in
Ludwigsburg 1963, die ich selbst (am Fernseher) miterlebt habe. Aber auch die anderen Teile der Ausstellung
wie de Gaulles Wirken im Widerstand und in Algerien sind sehr interessant. Ein besonderes Schmankerl
sind die beiden Fahrzeuge des Generals.
Ein Traction avant aus de Gaulles Privatbesitz und die legendäre "DS",
deren herausragende Fahreigenschaften ihm beim Terroranschlag in Petit Clamart wohl das Leben gerettet hat.
Zum Abschluss dieses wirklich beeindruckenden Erlebnisses gehe ich noch zu dem riesigen Lothringer Kreuz
auf dem Gipfel des den Ort überragenden Hügels. Dieses Zeichen hatte de Gaulle 1940 für die freien französischen
Streitkräfte und die Résistance eingeführt und es hat bis heute seine große Symbolkraft bewahrt. Auf dem
Rückweg besuche ich noch das Grab des großen Staatsmannes. Beeindruckend die Schlichtheit und die Tatsache,
es hier auf diesem kleinen Dorffriedhof in einer Reihe mit anderen Bewohnern des Dorfes vorzufinden.
Vor dem Abmarsch verzehre ich noch eine Kleinigkeit, dann gehe ich zum Landhaus de Gaulles, La Boisserie,
das er seit 1934 mit seiner Familie bewohnte. In der unteren Etage kann man sein Arbeitszimmer und die
übrigen Räume besichtigen, in denen er seinerzeit auch Konrad Adenauer empfing.
Um 12:45 Uhr mache ich mich endlich auf den Weg nach Clairvaux. Bei noch schönem Wetter geht es zunächst eine gute Strecke entlang der Hauptstraße, dann zweigt der Weg in einen ausgedehnten Wald ein, der wohl früher schon zum Besitz der Mönche von Clairvaux gehört hat. Ich lege nur einmal eine kurze Rast ein, bei der mir ein Spaziergänger begegnet, der mir von seiner Herzkrankheit berichtet, die ihn zu einem täglichen Spaziergang ermutigt.
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Bei einem kleinen Schloss überquere ich die Aube, die dem Département den Namen gibt; es fallen ein paar
Regentropfen, aber dann erreiche ich Clairvaux, wo ich von zwei freundlichen Nonnen der Fraternité Saint
Bernard mit einer tarte aux pommes empfangen werde.
Die Abtei wurde am 25. Juni 1115 durch Bernhard von Clairvaux und zwölf Mönchen im clara vallis, einem
‚hellen Tal‘, gegründet. Es ist eine der vier Primarabteien von Cîteaux. Das Kloster Clairvaux wurde
1791 infolge der Französischen Revolution aufgehoben und ab 1808 größtenteils als Gefängnis genutzt.
In den übrigen Gebäudeteilen ist ein Museum untergebracht.
Hier gibt es um 19.00 Uhr eine Führung, an der ich mit 2 evangelischen Ordensschwestern aus der Schweiz
teilnehme. Erst seit wenigen Jahren wird an der Sanierung des Klosters gearbeitet, und die Arbeiten
gehen nur sehr langsam vonstatten. Zu einem wahren Albtraum wird die Besichtigung der noch bis in die
70er Jahre als Gefängnis genutzten Gebäudeteile. Man kann fast nicht glauben, so etwas in einem Kulturland
vorzufinden. Wortlos beenden wir die Führung, die noch lange meine Gedanken beherrscht.
Das Mahl der beiden Schwestern, zu dem ich eingeladen bin, ist klösterlich einfach, aber ich bin sehr
zufrieden. Der Konvent besteht nur aus diesen beiden Schwestern, ihr Mutterkloster befindet sich in
Niederbronn im Elsass, und eine der beiden spricht auch ein wenig deutsch. In ihrem Haus beherbergen
die Schwestern Besucher von Strafgefangenen, die in der ehemaligen Abtei einsitzen. Unter der Woche
haben sie meistens ein paar freie Zimmer, so dass sie mich aufnehmen konnten. Sie erkennen meine
Betroffenheit nach der Besichtigung und berichten mir, dass die Neubauten des Gefängnisses nunmehr
menschenwürdiger seien.
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