Dienstag, 30. August 2011 |
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Schon um 7 Uhr ist das Frühstück vereinbart. Vorher gehe ich noch zum Lebensmittelladen, der sich
hier ‚Alimentation General’ nennt, in der Hoffnung, dass der Bäcker schon da war. Ich bin zu früh.
Bei Madame Roth gibt es, comme à l’habitude, Brot, Butter, Marmelade, Croissants und Kaffee.
Eric, so heißt der andere Gast, hat sein Deutsch-Buch mitgebracht und wir üben gemeinsam deutsche
Aussprache.
Es wird 8 Uhr, bis ich endlich abmarschbereit bin. Heute liegen 32 km vor mir, ich sollte längst
unterwegs sein. Es ist richtig kalt, aber sonnig. Auf der Haustür mache ich noch ein Foto meiner
Wirtin.
Der Weg ist gut, auf der kleinen Straße, die zuerst über die Felder, dann durch den Wald führt, ist kein Verkehr. An dieser Stelle verlasse ich das Département Vosges und damit auch Lothringen; ich befinde mich jetzt in der Haute-Marne und damit in der Champagne. In Laneuveville ist die Kirche geöffnet, es riecht nach frischer Farbe, die Anstreicher sind zu Werke (zumindest stehen ihre Werkzeuge in der Kirche, sie werden erst später anfangen).
$bb-02$ Man sagt mir, bis Lezéville seien es noch 6 km, was nicht stimmen kann, denn bis Laneuveville waren es schon 6 und insgesamt sind es nur 9. Das kann mir aber egal sein, es zeigt sich nur wieder, dass sich die Leute meist in ihrer engeren Umgebung nicht gut auskennen. Obwohl Laneuveville keine Auszeichnung als Village Fleuri hat, ist der Ort sehr schön mit Blumen geschmückt, und auch ein Standbild der Jeanne d’Arc darf natürlich nicht fehlen. Es wird stetig wärmer und ich erreiche bald Lezéville. Mitten im Ort steht eine große Figur, die ich als Freiheitsstatue deute. Ausgangs des Dorfes ist auf einer kleinen Anhöhe bei einem Wegkreuz ein schöner Rastplatz, wo ich mich zur Pause niederlasse. Es ist kurz vor 10. An diesem Platz möchte man am liebsten verweilen. Eine Joggerin mit Hund kommt vorbei, für ein paar Worte ist immer Zeit.
$bb-03$ Weiter geht es über weites, welliges Land nach Harméville, wo ich auf die Straße von Cirfontaine stoße; ich bin also wieder auf dem richtigen Jakobsweg, den ich wegen der Übernachtung in Grand verlassen musste. $bb-04$
Auch Harméville ist wunderschön mit Blumen geschmückt, was den oft trostlosen Anblick der kleinen Dörfer etwas auflockert. Eine spärlich bekleidete antike Schönheit ziert einen kleinen Brunnen in der Dorfmitte. Ich frage mich, wie diese Figur hier in dieses Dorf kommt.
$bb-05$ Nur 2 ½ km sind es bis Soulaincourt, ein ärmliches Dörfchen, das sich malerisch im Tal der Sour versteckt.
Nach dem Dorf geht es in steilen Serpentinen auf eine Anhöhe. In halber Höhe komme ich an einer Pferdekoppel mit ganz jungen Fohlen vorbei, die aber schnell Reißaus nehmen. Dann geht es durch ein Tal wie aus einem Bilderbuch hinab nach Sailly, das eine sehr schöne Kirche hat, die aber leider verschlossen ist. Kurz vor dem Ende des Dorfes kann ich bei einer älteren Frau, die gerade auf der Haustür steht, meine Wasservorräte auffüllen, und einige hundert Meter weiter lasse ich mich am Straßenrand zu einer kleinen Rast nieder.
$bb-06$ Um 1 Uhr breche ich wieder auf und gelange schon nach einer knappen halben Stunde nach Noncourt-sur-le-Rongeant. Im Ort erfahre ich, dass Annika und Carolin ca 45 Minuten vor mir durch den Ort gekommen sind. Vielleicht treffe ich sie ja doch noch an in Joinville.
$bb-07$ Es ist nicht mehr weit bis Poisson, einem etwas größeren Ort (immerhin 700 Einwohner). Man kann sagen, dass es ein schöner Ort ist: Wie überall viele Blumen, eine offene, überdeckte Markthalle, ein moderner Dorfbrunnen und ein kleines Schloss, am Ortsausgang entlang der Straße schöne Grünanlagen mit Blumen und Bänken. Das alles sieht man selten.
Auf der Straße Richtung Suzannecourt ist jetzt viel Verkehr, aber die Straße ist auch sehr breit, so dass ich trotzdem gut gehen kann. Um 14.19 Uhr erhalte ich eine SMS von Annika und Carolin, dass beide in Joinville eingetroffen sind, einige Minuten später die Nachricht, dass sie ihre Eltern getroffen haben und sofort nach Hause zurück fahren wollen. Ich wünsche eine gute Heimreise.
$bb-08$ In Suzannecourt frage ich nach einem alternativen Weg zur Hauptstraße, und man erklärt mir, dass es sehr wohl einen kleinen Weg in die Stadt gibt, den ich natürlich nehme. Er führt zunächst durch eine schöne Grünanlage mit Ruhebänken, die ich zu einer kurzen Rast nutze. Es kommt mir vor wie ein Gemälde von Renoir. Bald geht es weiter durch ein kleines Tal, dann treffe ich auf die Umgehungsstraße um Joinville.
Hier erhalte ich eine weitere SMS, dass Annika und Carolin mit Ihren Eltern doch noch auf mich warten wollen. Dann muss ich mich also sputen. Es geht hin und her durch eine unschöne Vorstadt-Hochhaussiedlung, und 20 Minuten nach 3 erreiche ich die Marne.
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Es gibt in Joinville nur eine
Hauptstraße, und so finde ich schnell das Café ‚Salle XIV’, wo ich freudig begrüßt werden. Wir trinken
zusammen noch etwas und erzählen, wie es in den letzten beiden Tagen gewesen ist, dann heißt es endgültig
Abschied nehmen mit dem Versprechen, in Kontakt zu bleiben, denn es war trotz der kurzen Zeit, in der wir
zusammen waren, ganz nett, eine angenehme Abwechslung.
$bb-10$ Ich hole mir auf der Mairie einen Stempel für mein Credential. Das Stadtzentrum mit dem blumengeschmückten Kanal ist recht schön. Auch die Kirche Notre Dame aus dem 13. Jahrhundert ist geöffnet und ich lasse mir ein wenig Zeit für einen Rundgang.
Es wird Zeit, mich auf die Herbergssuche zu begeben. Das Hotel de la Poste, wo ich eigentlich hin wollte, ist wegen Ferien geschlossen, so bleibt mir nur noch das Hotel du Nord. Der Wirt hat angeblich nur noch ein einziges Zimmer in einem Gebäude über die Straße. Es ist etwas heruntergekommen, aber das Zimmer, besser gesagt eine 2-Zimmer-Wohnung mit Küche, Schlafzimmer, Dusche und WC. Es nicht nicht sehr schön aber in Ordnung und ich nehme mit Halbpension an.
Beim Duschen stelle ich fest, dass ich einen Zeckenstich abbekommen habe und suche einen Arzt auf, der mich auch nach kurzer Wartezeit behandelt und mir einige Medikamente verordnet, die ich mir auch gleich besorgen kann.
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Im Hotel habe ich die Gelegenheit, Wäsche zu machen. Ich nehme alles und suche einen Waschsalon auf, um die Wäsche zu trocknen, aber es klappt nicht so richtig. Neben meinem Hotelzimmer finde ich eine Art Trockenspeicher, wo ich meine Wäsche zum Trocknen aufhänge, dann gehe ich zum Abendessen. Das Menu enthält eine Suppe, Grillade du porc, Käse und Dessert, zusammen für 10 Euro, da kann man nicht meckern, dazu nehme ich noch einen Kaffee. Anschließend mache ich noch einen kleinen Rundgang durch die schön beleuchtete Stadt, aber zu sehen gibt es nichts mehr: die Bürgersteige sind alle hochgeklappt und die Straßen aufgerollt. $bb-13$
In der Nacht fällt mir ein, dass es in meiner ‚Wohnung’ Elektro-Heizkörper gibt. Auf diese Weise kann
ich bis zum Morgen meine Wäsche einwandfrei trocknen.
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