Montag, 5. September 2011
Von Les Riceys nach Etourvy

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$bb-01$ $bb-02$ Gut erholt nach dem langen Wochenende starte ich in die letzte Woche meiner Pilgerschaft. Zu meinem kleinen Frühstück muss ich mir selbst den Kaffee kochen, dann gehe ich zur Mairie, gebe den Schlüssel zurück, begleiche die Rechnung und erhalte den Stempel für mein Pilgerheft. Ich muss einen anderen als den vorgegebenen Weg nehmen, um an der Bäckerei vorbei zu kommen, wo ich mich für den Tag versorge. Nach dem Ort geht es gleich steil durch einen Weinberg bergan und ich treffe bald auf den Pilgerweg. Wein, Felder und Wald wechseln sich ab, und gelegentlich ist die Wegführung etwas zweifelhaft. Trotzdem gelange ich sicher nach Bagneux-la-Fosse.

Der Weg führt jetzt wieder oberhalb der Weinberge entlang nach Bragelogne. Auch hier gibt es noch Champagner-Kellereien, wenn auch nicht so groß wie in Les Riceys. Es ist gerade ½ 12, in einem geöffneten Café genehmige ich mir nach dem vielen Wind einen großen Kaffee. Ich hatte vorher zuerst ein Shirt, dann ein Hemd mit kurzen, dann mit langen Armen und schließlich den Anorak angezogen und bis zum Kinn geschlossen. Im Café nimmt ein junger Mann seinen Pastis, sonst gibt es keine Gäste; der Wirt ist schwer zu verstehen und so mache ich mich wieder bald auf den Weg.

$bb-03$ Von Bragelogne geht der Weg zunächst über weite Felder, dann durch ein schönes bewaldetes Tälchen und schließlich auf die D 82. Auf einem Weg, der von der Straße wegführt, halte ich Mittagspause. Die Straße senkt sich zunächst ins Tal, um dann wieder bergauf nach Villiers-le-Bois zu führen. Schon am Ortseingang 'bewundere' ich eine halb verfallene Scheune, ehe ich zur Kirche gelange. Hier wird vor der Baufälligkeit der Kirche gewarnt. Zwei Gemeindearbeiter sind damit beschäftigt, den mustergültigen Rasen zu mähen. Der Bürgermeister, der die beiden zu beaufsichtigen scheint, bietet sich an, mir den Schlüssel zur Kirche zu bringen. Ich nehme dankend an, und mit dem Rad macht er sich auf den Weg, um gleich wieder zurückzukommen. Er bittet mich, den Schlüssel anschließend den beiden Arbeitern zu übergeben. $bb-05$ $bb-04$

Ich betrete die Kirche durch das kleine Renaissance-Portal. Vom Inneren des Kirchleins bin ich entsetzt. Überall ist der Putz von den Wänden gefallen, der Altarraum ist mit rot-weißem Trassenband abgesperrt, damit niemand von herabfallendem Putz verletzt wird, in allen Ecken liegt Gerümpel. Es ist deprimierend. Ich verschließe die Kirche, gebe den Schlüssel weisungsgemäß zurück und setze meinen Weg fort.

Vom Wasserturm am Ende des Ortes rufe ich in Étourvy an um meine Ankunft anzumelden dann geht es wieder aufwärts über Felder, dann am Wald entlang. Ich falle prompt auf die zweideutige Wegbeschreibung herein, merke nach 150 m, dass ich falsch bin und gehe wieder zurück zur Straße.

Nach 400 m kommt der richtige Abzweig durch ein schönes Tälchen nach Étourvy. Durch einen sehr schönen Park mit einem Mühlweiher gelange ich zum Foyer Rural du Grand Secteur, wo ich schon erwartet werde.

$bb-06$ $bb-07$ Ich beziehe ein schönes Zimmer, dusche, und mache mich auf zu einem Rundgang durchs Dorf. Man warnt mich, es sei nicht viel los im Dorf, aber auch das ist noch übertrieben – es gibt absolut nichts. Nur ein Wahlplakat, das dem legendären Aufruf Charles de Gaulles aus dem Londoner Exil nachempfunden ist, weckt mein Interesse. Ich bin schnell wieder zurück, erstehe im Büro des Begegnungzentrums ein Bier und setze mich auf der Wiese an eine Sitzgruppe um meine Notizen niederzuschreiben.

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An alle Franzosen
Fankreich ist am Rande des Bankrotts!
Aber Frankreich hat den Wirtschaftskrieg noch nicht verloren!
Die Regierenden, obgleich demokratisch gewählt, haben, indem sie, der Demagogie nachgebend kapituliert, jedes Jahr Haushaltsdefizite verabschiedet haben, eine in Friedenszeiten niemals gesehene Verschuldung hervorgerufen, die das Land dem Willen der ausländischen Banksters und bald dem Diktat des IWF ausliefert.
Man hat Sie verraten. Man hat Sie angelogen. Man hat Ihnen gesagt, dass es möglich wäre, weniger zu arbeiten und gleichzeitig mehr zu verdienen. Man wollte die Anstrengung vermeiden und zukünftigen Generationen eine Last auferlegen, die zurückzuzahlen unmöglich sein wird. Zur gleichen Zeit haben diese Regierungen unsere Landschaften ruiniert und zahlreiche unserer Industrien in den Bankrott getrieben, indem sie den Einfuhren aus weit entfernten Ländern Tür und Tor geöffnet haben.
Das Elend bei uns, die Sklaverei woanders.
Ebenso wie heute in Griechenland, in Irland und in Rumänien, werden uns diese Regierenden das gleiche Unglück bringen. Jedoch ist nichts verloren! Nichts ist verloren, weil es in unserem alten Land Frauen und Männer gibt, die arbeiten können und wollen. Nichts ist verloren, weil man von unseren Gewählten fordern kann, dass sie die tödliche Spirale der Defizite anhalten.
Deshalb lade ich alle Franzosen ein, sich zur Aktion, zur Anstrengung und in der Hoffnung um mich zu versammeln.
Das seit 1945 aufgestellte Gesellschaftssystem ist in Todesgefahr. Kämpfen wir alle, es zu retten! Wir müssen mehr arbeiten, um besser zu verteilen.
Es lebe Frankreich!
NICOLAS MIGUET, PRÄSIDENT der Bewegung der französischen Steuerzahler
16. Januar 2011 - Feierlicher Appell

Um 19.00 Uhr begebe ich mich zum Abendessen ins so genannte Restaurant. Alles ist bestens vorbereitet: Tomatensalat, den hervorrgenden Coq-au-vin muss ich mir in der Mikrowelle selbst warm machen, dazu Brot, Käse und Rotwein; den Fruchtsalat hebe ich fürs Frühstück auf.

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Ich mache noch einen Verdaungsrundgang durchs das bereits eingeschlafene Dorf, dann gehe ich zu Bett. Himmlische Ruhe.

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