Mittwoch, 7. September 2011
Von Tonnerre nach Chablis

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$bb-01$ Nachdem ich gestern schon vor 9 Uhr im Bett war, werde ich schon um ¼ vor 7 ohne Wecker wach. Es regnet Bindfäden, zum ersten Mal am Morgen seit mehr als zwei Wochen; das kann ja heiter werden. Das Frühstücksbuffet ist gut, wenn auch nicht überwältigend, aber es ist mal etwas anderes als Brot und Marmelade. Da ich Zeit habe – die heutige Etappe misst nur 18 km – schreibe ich noch meine Notizen über die beiden letzten Etappen nieder.

¼ vor 9 breche ich auf, die Wirtin hilft mir dabei, den Regenumhang anzuziehen, es regnet ununterbrochen. Noch einmal komme ich an der Fosse Dionne mit der deprimierenden Umgebung vorbei. Viele Häuser sind unbewohnt, verlassen und dem Verfall preisgegeben, nur hier und da sieht man wenigstens einige Sicherungsmaßnahmen, aber keine Sanierungen. Der Zustand der Altstadt ist ein Skandal!

Steile Treppen führen zur Kirche St. Pierre, wo ich gestern schon war, aber auch heute Morgen ist die Kirche erwartungsgemäß verschlossen. Am Friedhof vorbei geht es weiter steil bergan. Ich muss meinen Anorak anziehen, denn es ist kalt, dabei stelle ich fest, dass mein Regenumhang nicht mehr dicht ist; naja, es wird gehen. Es geht noch immer bergauf bis zur Ferme de l'Ermitage, seit meinem Abmarsch rund 140 Höhenmeter, dann geht es rechts ab auf den Römerweg. Das ist ein zwar ein Umweg, aber der Weg ist schön und gut; er führt zuerst über freies Feld, dann am Waldrand entlang.

$bb-02$ Nach einer Stunde hört der Regen endlich auf, es gibt sogar einige Aufhellungen. 3 km nach der Ferme zweigt mein Weg links ab, bergab in das schöne Vallon Coquard. Die Ferme Chavant unterhält eine Wildschweinzucht; die Tiere sind nicht scheu sondern eher neugierig, aber nicht agressiv. Wenig später kommt die TGV-Strecke Paris-Lyon in Sicht. Die Züge kommen in 10-Minuten-Takt; man hat kaum Zeit, den Fotoapparat bereit zu machen, trotzdem gelingen mir einige Fotos. Gegen 11 Uhr bin ich in Tissey und raste in einem Wartehäuschen. Ich klingle am Haus gegenüber, aber niemand öffnet. Ein Bauer mit einem Riesentraktor, der vorbeifährt und mich mit meinen leeren Flaschen sieht, bedeutet mir im Fahren, nebenan zu klingeln. Tatsächlich wird mir geöffnet und ich erhalte frisches Wasser.

$bb-03$ $bb-04$ $bb-05$ Über einen kleinen Höhenzug wandere ich weiter nach Collan, das wieder im Tal bzw. am gegenüberliegenden Hang liegt. Die Kirche liegt abseits auf einer Höhe, ich spare mir den Weg, sie wird verschlossen sein. An einem schönen Waschhaus mache ich kurz Rast. Eine Gedenktafel erinnert an den Heiliger Robert von Molesmes, der als Einsiedler hier gelebt hat und später Cîteaux gegründet hat.

Nach Rameau sollen es 45 min sein, aber schon nach einer guten halben Stunde passiere ich das Dorf, der Weg ist schön und gut. Nach wenigen Minuten taucht in der Ferne das Tal des Serain auf, dann die ersten Weinberge. Hier oben hat die Lese noch nicht begonnen. Die Chardonnay-Trauben sind größer als die Pinot-Noir-Trauben; sie sind schön süß. Wein so weit das Auge reicht.

$bb-08$ $bb-06$ Ich treffe wieder einen Trupp Pflücker. Hier wird noch mit der Hotte gearbeitet. Es ist eine lustige Truppe. Man fordert mich auf, mitzuhelfen und interessiert sich für die Lese in Deutschland. Wenn die Lese hier zu Ende geht, wollen wohl einige noch bei der späteren Lese in Deutschland arbeiten. Dann bin ich bald in Chablis; die Avenue d'Oberwesel weist auf die Partnerschaft mit dieser Stadt am Rhein hin. Im Office de Tourisme erhalte ich den Stempel für mein Pilgerheft, dann finde ich das Hotel de la Poste; es ist so lala, aber gerade noch o.k., besser als Toul und Joinville.

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Nach der Dusche und einer kurzen Siesta mache ich mich zu einem Rundgang durch den berühmten Weinort auf. Etwa 4800 Hektar Land sind bestockt, ausschließlich mit der Rebsorte Chardonnay, die hier zu einem ausgesprochen trockenen Wein ausgebaut wird. Es gibt gefühlt 1000 Weinanbaubetriebe, etliche sehr große, darunter aber auch viele kleine Winzer. Ich hätte noch gerne ein Weingut besichtigt, aber der Besuch kommt leider nicht zustande.

$bb-09$ Die dem Heiligen Martin geweihte Kirche ist zwar geöffnet, aber es sind z.Z. umfangreiche Restaurierungsarbeiten im Gange, so dass man nur Baustelle vorfindet; man gelangt nur bis zu einer sehr schönen Lade im Eingangsbereich.

Für den Abend suche ich mir noch ein Restaurant und eine Bäckerei für morgen, dann spaziere ich zur Weinlage der Premier Grand Cru und treffe dort eine Gruppe von Weinpflückern. Ich mache einige Fotos und werde gebeten, diese nach meiner Rückkehr zurück zu schicken; ich schreibe mir die Adressen auf.

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$bb-12$ Zum Abendessen kehre ich im SYRACUSE ein, einem etwas zu edlen Lokal. Die Kellner sind verständlicherweise ob meines rustikalen Outfits anfangs ein wenig distanziert, aber dann werden sie deutlich lockerer. Die junge Kellnerin bedient mit einer beispiellosen Grandezza; selbst den Kaffee. Zum Bezahlen lässt man sich viel Zeit aber ich habe ja alle Zeit der Welt.

Ich kann recht früh ins Bett, denn die Bürgersteige sind auch hier schon hoch geklappt; in dieser Beziehung kann sich der weltbekannte Ort mit unseren Weinorten an Rhein und Mosel nicht messen.

Im ersten Schlaf werde ich aufgerüttelt, als jemand an der Tür rappelt. Ich mache ihm energisch klar, dass das Zimmer schon belegt ist, dann ist Ruhe.

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