Freitag, 8.10.1999 - Von Los Arcos nach Logroño - (ca. 26 km)

In Los Arcos im Hotel Monaco hatten wir eine ruhige Nacht,
zum Frühstück trafen wir uns morgens um halb acht.
Nacheinander trotteten wir in den Frühstückssaal,
wo wieder so manches stand zur Wahl.
An diesem Morgen begrüßten wir uns alle mit „ooooo“
Ich dachte, was soll das und sowieso
sind wir hier in einem fremden Land,
wo uns die Sprache noch nicht so bekannt.
„Guten Morgen“, so waren wir's immer gewohnt,
aber heute Morgen wurden wir besonders belohnt.
Edgar und ich, wir haben schnell entdeckt
zwei herrliche Kuchen auf dem Tisch, sie waren nicht versteckt.
ir haben alle gekostet, er hat soooo fein geschmeckt.
Gut, dass unser Wecker uns nicht hat so spät geweckt.
haben wir uns dann auf die 6. Etappe gewagt.

„Aus grauer Städte Mauern“, so ziehen wir singend aus Los Arcos, über den Rio Odron. Laut „Mittelalterlichem Pilgerführer“ ist er einer der Flüsse in dieser Gegend mit „todbringendem“ Wasser. Wir gehen Richtung Friedhof. In einem Buch habe ich gelesen, dass auf dem Portal des Friedhofes geschrieben steht: „Ich war, was du jetzt bist, du wirst sein, was ich jetzt bin.“ Leider kommen wir nicht an diesem Friedhof vorbei, schade, ich habe mich so darauf gefreut. Ein kleiner weißer Pudel läuft uns über den Weg. Er kläfft Wolfgang an, warum hat er es gerade auf ihn abgesehen, ob er die größte Wurst in seinem Rucksack hat?

In der Ferne können wir bald die Silhouette von Sansol erkennen, das auf einem Hügel liegt. Kurz vor Sansol müssen wir die Landstraße benutzen. 40 km zeigt ein Verkehrsschild an, o wei, die Null muss weg, 4 Stundenkilometer - das können wir noch schaffen.

Und wieder werden wir von einem Hund freudig begrüßt. Toni traut ihm nicht recht, und ganz vorsichtig fragt er ihn: „Soll ich dich beißen?“ Und was wäre, wenn er „ja“ gesagt hätte?

1 3/4 Stunden sind wir schon gewandert, jetzt haben wir Sansol erreicht. Ein Hupkonzert ertönt, klingt wie Salutschüsse für uns? Nein, es ist nur ein Bäckerauto, das auf sich und seine frischen Brötchen aufmerksam machen möchte.

Von der Kirche bietet sich ein herrlicher Blick auf Torres del Rio, das gleich unterhalb des nächsten Hügels liegt, eine Handvoll Häuschen in der immer größer werdenden Weite der Landschaft. Ich erkenne, dass die Kirche von Torres etwas Besonderes sein muss, sie ähnelt dem Kirchlein von Eunate, sie hat den gleichen Grundriss. Einmal den Berg runter, den „giftigen“ Bach Linares überschreiten, wieder den Berg rauf, und wir stehen vor der kleinen achteckigen, romanischen Kirche von Torres - Santo Sepulcro aus dem 12.. Jahrhundert. Wir klopfen im Haus gegenüber und bitten um den Schlüssel. Die Schlüsselfrau geht gleich mit uns, schließt uns die Kirche auf, verkauft uns einige Karten und drückt uns den Stempel in den Pilgerausweis. Auffallend in der Kirche ist die besondere Gewölbekonstruktion der Kuppel. Sie wird gebildet von mehreren sich überschneidenden Rippen in Form eines achteckigen Sternes. Vermutlich war die Kirche von den Tempelrittern als Begräbnisstätte für verstorbene Pilger gedacht, eine kleine, schlichte Kirche mit schönen Steinmetzarbeiten und mit unverkennbar arabischen Einflüssen. Zwei Lieder singen wir noch, dann ziehen wir weiter.

Bei der Einsiedelei der Virgen del Poyo machen wir Mittagspause. Die kleine Kapelle ist leider verschlossen. Zu ihren Außenanlagen gehört ein steinerner Altartisch, der erhöht steht und über Treppenstufen zu erreichen ist. Wahrscheinlich wird im Sommer hier auch mal die Messe gefeiert. Ob es ein kleiner Wallfahrtsort ist? Toni stimmt das Lied an: „Gott ruft sein Volk zusammen.“ Ja, wir, ein kleines Volk Gottes, haben uns auf den steinernen Stufen um den Altar niedergelassen. Unsere Meditation lautet heute: Weggefährten. „Wer sind Weggefährten?“, fragt Toni, heute müssen wir einmal selbst unsere Gedanken einbringen. Spontan fallen Karin die auf der Treppe krabbelnden Ameisen auf, sie gehören heute zu unserer Mittagsrast auf dem Pilgerweg. Weggefährten sind Menschen, die mit uns gehen, die uns zuhören, die mit uns beten, mit uns sprechen, zu denen wir Vertrauen haben. mein treuester Wegbegleiter ist mein Rucksack, dort habe ich alle meine Sorgen von zu Hause eingepackt. Ob er unterwegs etwas leichter wird? Mit dem Lied „Mir nach, spricht Christus unser Held“ ziehen wir von dannen.
Virgen del Poyo
Durch den Barranco Mutaburros - die Eselstöter-Schlucht geht es weiter, vorbei an Weinbergen, Oliven- und Mandelbäumen. Wir erreichen Viana, die letzte Stadt Navarras am Camino, 9 km von Logroño, der Hauptstadt von La Rioja entfernt. Die Kirche Santa Maria ist, wie fast alle Kirchen am Jakobsweg, leider verschlossen. Hohe, stattliche Häuser, geschmückt mit Figuren und Wappen der jeweiligen Adelsfamilie begrenzen den Platz vor dem Gotteshaus. Am Seiteneingang der Kirche finden wir die Steinplatte am Boden, die an Cesare Borgia erinnert. Borgia war eines der größten spanischen Adelsgeschlechter, aus dem mehrere Päpste kamen. Cesare war der Sohn von Papst Alexander VI. (1492 - 1503). Er war Kardinal und Erzbischof von Valencia (1494). Als französischer Herzog unterwarf er (1499 - 1502) die Romagna, Umbrien und Siena, musste aber seine Eroberungen (1503) an Papst Julius II. ausliefern. Dann ging er nach Spanien, wo er im Dienst des Königs von Navarra im Jahre 1507 im Alter von 34 Jahren fiel. Man sagte ihm unglaubliche Skandale und ruchlose Morde nach. Man nannte ihn auch „el toro“ - den Stier.

Von Viana aus führt der Weg wieder steil bergab. Wir wandern vorbei an Weinbergen und Olivenbäumen. Um 17.30 Uhr stehen wir vor einem Hinweisschild, dass der Camino nun Navarra verlässt und wir La Rioja betreten. La Rioja, die Gegend, wo der beste spanische Wein herkommen soll, fruchtbares, sonniges Land am Ebro. Über Feldwege geht es Richtung Logroño.

Der Weg führt an einem eigentümlichen, verkommenen Gebäude vorbei, sieht aus wie ein großer Schrottplatz; gackernde Hühner und angebundene, kläffende Hunde in erbärmlichem Zustand begrüßen (?) uns. An einem kleinen Tisch im Freien zwischen Schrott und Gerümpel sitzt eine alte Frau.

Felisa Rodriguez Medel

Felisas Siegel

Ihre lustigen Augen wollen gar nicht richtig in dieses triste Milieu passen. Sie winkt uns zu sich. Unseren Pilgerausweis möchte sie stempeln, kein Pilger kommt „ungestempelt“ an ihr vorbei. Auf einem Tellerchen sammelt sie gerne ein paar Pesetas dafür. „Glück, Feigen, Wasser und Liebe“ steht auf ihrem Logroño-Stempel. Eine originelle Begegnung am Jakobsweg! Einer unserer Jakobspilger meint, später: „Das war awwer e bäbbischi Fra“.

Bald erreichen wir den Friedhof am Stadtrand von Logroño. Von dort geht es nach einer Wartezeit - die Autos müssen nachgeholt werden - zu unserem Hotel in Logroño.

Helga

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