Gedanken auf dem Jakobsweg
Ziele
- beim Abstieg von den Oca-Bergen
Nachdem man uns im ersten Ort heute Morgen den Schlüssel zur Kirche nicht geben wollte, und auch im
zweiten Ort wir wohl richtig fragen, aber die Antwort nicht verstehen konnten um den Schlüssel zu finden,
wollen wir unsere letzte Meditation einfach hier, wie es eben hieß, in der Pampa machen.
Wenn jetzt klares Wetter wäre, hätten wir schon da oben auf unser diesjähres Ziel sehen können, hätten
wir Burgos erkannt. Das kann man heute als Thema verstehen: Das Ziel.
Vor fünf Jahren fing unser Weg mit dem ersten Schritt in Le Puy an und wir haben überhaupt nicht gewusst,
worauf wir uns eingelassen hatten. Mir ging es jedenfalls so und ich nehme an, auch den anderen ging es
ähnlich. Wir wussten gar nicht, worauf wir uns eingelassen hatten. Wir fingen mit dem ersten Schritt an,
wie es so schön heißt: Der Weg nach Peking beginnt mit dem ersten Schritt, und wir hatten seither fünf
große Ziele und unendlich viele kleine Ziele, Tagesziele und Zwischenziele, immer und immer wieder; nur
so kommt man durch. Nicht alles auf einmal, sondern unterteilen. Stück für Stück. Nicht alles auf einmal
wollen, sondern nacheinander, Schritt für Schritt. Nur so kommt man weiter; nicht nur den Weg verschlingen
und fressen, sondern den Weg als die Gelegenheit nehmen, Ziele zu erreichen: Kirchen, Dörfer, Höhen,
Landschaften, all die kleinen Dinge, die am Wegesrand liegen. Es gibt so eine schöne Geschichte, ich weiß
nicht mehr, Peppo glaube ich, heißt er, Straßenkehrer, der eine unendlich lange Straße vor sich hatte, und
wenn er die so angesehen hat, hätte er schier verzweifeln können um sie zu kehren. Aber er hat sich immer
wieder Zwischenziele gesetzt: Bis zu dem Haus, bis zu dem Haus, bis zu dem Haus, und so war die unendlich
lange Straße dann gar nicht mehr so lang.
Wer nicht weiß, wohin er will, muss sich nicht wundern, wenn er ganz woanders ankommt, so sagt ein modernes
Sprichwort. Wir haben uns zwischendurch immer wieder unsere Ziele ins Auge gefasst. Von Anfang an hieß es
Santiago, und dann haben wir geschaut, wie weit wir gekommen sind, aber immer auf dem Weg nach Santiago,
wie es Tausende und Millionen vor uns getan haben. Und so haben wir unsere Ziele bisher immer wieder
erreicht. Manchmal mit wehen Füßen, manchmal mit durstiger Zunge, manchmal mit der letzten Kraft, aber
wir sind immer angekommen; es hat noch keiner unterwegs schlapp gemacht, dass er gesagt hätte „ich pack
es nicht mehr, lasst mich hier sitzen“. Mitnehmen, das Ziel im Auge behalten und gehen: sich nicht zuviel
vornehmen, sondern das, was man packen kann. Dann kann man auch ankommen. So ist das Leben: Ziele im Beruf,
Ziele zu Hause, Ziele in den Vereinen, in denen wir sind, in denen wir mitmachen. Keiner geht seinen Weg
allein. Wir haben immer Begleiter, und wenn jemand vorgeht findet man auch immer wieder Menschen, die
sagen: „Ja, ich gehe mit!“ Allein hab ich Angst vor dem Ziel, aber wenn du, Sie, wenn wir gemeinsam gehen,
dann werden wir es erreichen.
Wir haben heute noch ein paar Kilometer vor uns, und dann haben wir in diesem Jahr wieder unser Ziel
erreicht; über viele Zwischenziele, und auch das ist ein Zwischenziel bis Santiago, und wenn Gott will,
können wir dann in zwei Jahren dort sein.
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