Gedanken auf dem Jakobsweg

Füße
- in der Abteikirche San Zoilo in Carrión de los Condes

Die Füße stehen normalerweise nicht hoch im Kurs. Ziemlich verächtlich ist das Wort von den Käsfüßen, oder mit den Zehen spielen, oder von den schmutzigen Füßen, die da gewaschen werden, aber in diesen Tagen denke ich, spüren wir die Füße mehr als zu vielen, vielen anderen Zeiten. Am Nachmittag, wenn sie müde werden, wenn sie weh tun, wenn wir uns Blasen laufen, wenn sie irgendwo scheuern und wund sind, wenn wir sie bearbeiten. Am Abend, wenn sie gewaschen sind, am Morgen, bevor es wieder losgeht, wenn wir uns sorgfältig Gedanken machen, was wir da überziehen, welche Strümpfe, und, und, und. Die Füße stehen plötzlich ziemlich im Vordergrund und in der Mitte unserer Wanderschaft. Normalerweise denken wir kaum an die Füße; ja, wir brauchen Schuhe an den Füßen und wir müssen bequem gehen und wir wechseln die Schuhe schon mal, aber sonst, die Füße? Und doch, wenn man zurückdenkt, ob sich noch jemand von uns erinnert, wahrscheinlich nicht mehr, aber unsere Eltern, die stolz waren, als wir zum ersten Mal auf eigenen Füßen standen, als wir die Füße voreinander gesetzt haben und gehen gelernt haben. Oder ihr, als eure Kinder auf den eigenen Füßen standen, nacheinander, und ihre ersten Schritte machten; die Enkel. Das ist immer ein Ereignis, denn die Füße sind das Zeichen für Weiterkommen. Und so heißt es auch 'auf eigenen Füße stehen', wenn man mit dem Beruf fertig ist, wenn man sich bewähren kann, soll, muss, darf; wenn man auf eigenen Füßen steht, wenn man das Leben selbst anfängt zu steuern, in die Hand zu nehmen, dass man selber die Richtung angibt, "wo will ich hin, wo ist mein Ziel?" Das spüren wir in diesen Tagen ganz besonders. Wie uns die Füße tragen, wie die Füße sich in unserem Leben bemerkbar machen. Ganz unten sind sie, aber entscheidend. Ganz unten sind sie, tun ihren Dienst, melden sich jetzt, wenn es dann einmal mehr wird, als sie bisher gewohnt waren und verlangen dann auch ihren Tribut. Und wenn wir gute Füße haben, und wenn sie uns weit tragen, dann dürfen wir schon dankbar sein. Denn die Füße bringen uns auch zu Menschen, mit Menschen zusammen, zu Menschen, und sie gehen auch gemeinsam. Wir achten nicht darauf, Schritt für Schritt, Hundert, Tausend, Zehntausend, wieviel sind wir schon gegangen. Welche Dienste haben uns die Füßen eigentlich im Leben schon erwiesen? Was wäre alles nicht gewesen in meinem Leben, hätte ich meine Füße nicht gehabt? Wäre ich auf Krücken, auf Protesen angewiesen gewesen, hätte ich überhaupt nicht laufen können. Wie anders sähe mein Leben ohne meine Füße aus. Dann erst begreifen wir, was sie uns eigentlich wert sind. Und da dürfen wir schon dankbar sein, wie weit uns die Füße tragen und was uns alles die Füße ermöglichen. Wie sie uns in die Welt führen, damit wir die Welt erfahren, damit wir sie begehen, damit wir sie erleben, wie sie uns die Welt erschließen, gerade in diesen Tagen.

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