Gedanken auf dem Jakobsweg

Die Augen - beim Aufstieg zum Cebreiro

Volk Gottes, Medidation ist angesagt. Wir haben uns auf den Weg gemacht, wir haben die Lasten angenommen, die der Weg, die Wanderung erfordern, wir sind in die Fremde gegangen und haben die Fremde erlebt und versuchen, sie uns vertraut zu machen, damit sie uns eigen wird, und heute wollen wir ein bisschen über die Augen nachdenken. Denn sie sind das Organ, das am weitesten hinausreicht. Der Tastsinn ist unmittelbar. Nur die unmittelbare Berührung erreicht den Tastsinn. Der Geschmacksinn ist ähnlich. Der Geruchsinn geht auch nicht sehr weit. Mit dem Hören kommen wir im natürlichen Bereich auf einige Hundert Meter, vielleicht sind es auch Tausend, jedenfalls hat es doch sehr bald seine Grenzen. Aber die Augen, die reichen unendlich weit. Die Sonne, die ich weiß nicht wieviele Kilometer entfernt ist, Sterne in der Nacht, die Lichtjahre von uns sind. Die Augen sind so etwas wie die Fenster unseres Leibes, durch die wir hinausschauen in die Welt, über die die Welt zu uns hereinkommt. Türen unserer Seele könnte man auch sagen. Ob wir die Welt und all das, was draußen ist, bei uns einlassen, über die Augen. Und gerade in diesen Tagen, wenn wir unterwegs sind, ist das besonders aktuell. Ich wollte ganz besonders, dass wir heute Morgen einen schönen Aussichtspunkt finden sollten, und den haben wir gefunden, und ich habe eben schon ein wenig hinausgeschaut, und habe die Vielfalt gesehen, die Vielfalt der Farben des trocken werdenden Farnkrautes, der grünen Sträucher, der verschiedenen Grünfarben der Bäume. Schaut einmal wie viele es sind, fast jeder ist anders. Die Berge in der Ferne, die Häuser, die Wolken. Die Augen nehmen alles wahr. Und doch müssen wir lernen, richtig zu sehen. Zwei können den gleichen Weg gehen und doch ganz Verschiedenes sehen, oder auch garnichts sehen, wahrnehmen, vorbeigehen, nicht erkennen. Uns kommt es darauf an, dass wir sehen. Und das, was wir sehen, bei uns einlassen und deuten. Sehen allein reicht nicht; das ist nur beschreiben. Wir müssen das, was wir gesehen haben, bei uns einlassen - Augen sind Türen der Seele - und es bei uns ablagern lassen, bei uns bewahren, und es dann auch deuten; mitnehmen als neue Erfahrung, als ein neues Stück Leben. Es geht uns wesentlich über die Augen ein. In der Schrift heißt es irgendwo, dass die Menschen Augen haben und doch nicht sehen. So soll es uns nicht passieren. Und wenn wir es hereinlassen und bei uns ankommen lassen - wir haben eben so ein paar Gedanken gesponnen unterwegs - dann kann es uns einmal klar werden, wie viele Millionen Jahre es gedauert hat, bis diese Erde aufgebaut war, wie viele Millionen Jahre es gedauert hat, bis sie aufgefaltet war, und bis sie wieder eingeschnitten war und sich so geformt hat, wie wir sie sehen. Mit den Augen kommt es uns ein, und es gibt uns einen Anstoß zum Nachdenken. Und dann hieß es eben auch, ja, wir sind nur Gast auf Erden, nur eine ganz winzige Spanne haben wir zu gehen, nur ein ganz winziges Stück dieser Erde werden wir sehen. Aber darauf kommt es an, dass wir es bei uns einlassen und nicht wie Blinde durch das Leben stolpern. Dass wir sehen und verstehen: Wir sind unterwegs, eigentlich zum letzten großen Ziel, wo wir alles sehen.

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