Gedanken auf dem Jakobsweg
Predigt - am Vorabend in der Kathedrale in Santiago
...........................und an einer anderen Stelle heißt es, dass sie unterwegs miteinander gestritten haben,
wer von ihnen der Größte sei. Eine ganze Weile gehen sie mit und sind gewissermaßen blind und taub. Und irgendwann
nach Ostern; nach Ostern; irgendwann danach fangen sie an zu kapieren. Sie sind noch einmal zurückgegangen an den
See von Tiberias und sind wieder Fischer wie damals. "Ich gehe fischen", sagt Petrus, "wer geht mit?". Und ihrer
sechs steigen mit ihm ins Boot und sie fangen die ganze Nacht nichts, bis Jesus am Morgen am Ufer steht und fragt:
"Habt Ihr etwas zu Essen?" Sie verstehen erst langsam,
auf wen sie sich da eingelassen hatten. Und so nimmt ER auch
diese Gelegenheit wahr, um sie auf eine Wahrheit hinzuweisen, die den Menschen gar nicht so einfach eingeht. "Ich
bin nicht gekommen, um mich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen". Die Mächtigen missbrauchen ihre Macht; so
war es damals, so ist es heute, so wird es auch bleiben. Sie sind nicht der Maßstab der Welt, obwohl sie es gerne
sein würden, obwohl sie sich feiern lassen, und obwohl sie sich auszeichnen lassen sind sie nicht der Maßstab der
Welt. Der Maßstab des Lebens sind jene, die ein Herz haben füreinander, die sich gegenseitig ins Herz schließen,
die die Hände füreinander öffnen, die sich die Hände reichen, die die Kette der Liebe verstärken: Die sind Maßstab
der Welt. Und wenn der alte Goethe in seinem Faust fragen lässt, was die Welt im Innersten zusammenhält, so kommt
er ganz am Schluss zu der Erkenntnis, dass es die Menschen sind, die einander gut sind, die einander helfen, und
Symbol dieser Menschen sind die Mütter. Zu denen muss Faust schließlich hinuntersteigen. Und so sagt auch der Herr:
"Ich bin zu euch gekommen wie einer, der dient." Und wiederholt gebraucht er dieses Beispiel von dem Herren und
von dem Sklaven. Sie haben es nicht verstanden, jedenfalls nicht sofort, aber es ist ihnen später aufgegangen.
Als Jakobus Bischof von Jerusalem war, da hat er schon verstanden: Ich muss hier stehen und halten, ich muss hier
Zeugnis geben, ich muss das Wort weitersagen, ich kann und darf nicht mehr an dem zweifeln, an dem was ich gehört
habe, was ich mit offenen Augen und bereitem Herzen bei mir aufgenommen habe. Er hat es weitergesagt, er hat Kopf
und Kragen riskiert und verloren. Er war der erste, die andern sollten ihm folgen, einer nach dem andern; irgendwo,
wir wissen es nicht; Petrus in Rom, und von ihm gibt es die schöne Legende mit dem Quo vadis, "Wo gehst Du hin, Herr?",
als Petrus fliehen wollte
und ihm der Boden in Rom zu heiß geworden war. "Ich gehe nach Rom um mich wieder
kreuzigen zu lassen", sagte er ihm damals. Es soll dort gewesen sein, wo heute die Kirche San Sebastiano steht.
Da hatte Petrus begriffen.
Es wird immer darauf ankommen, dass man auch aus seinem Herzen keine Mördergrube macht. Man braucht nicht das Herz
auf der Zunge zu haben, aber man muss schließlich für das stehen und halten, was man sich erworben hat, wie Saint
Exupérie auch einst.
Wir sind sieben Jahre den Jakobsweg gelaufen, jedes Jahr ein Stück. Der Weg war uns das Ziel und wir sind über den
Weg zum Ziel gekommen. Und wir dürfen diese Worte, die wir heute von Jakobus und Johannes gehört haben, auch uns
gesagt sein lassen: Das, was wirklich zählt auf dieser Welt, das ist das, was sich die Menschen gegenseitig an
Gutem tun. Amen.
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