Donnerstag, 4.10.2001 -
Von Sarria nach Portomarin
Der Komödie erster Teil
Morgens um 8.45 Uhr ging es nach dem üblichen Morgenritual los, quer durch Sarria auf der Suche nach dem Camino.
Am Rande der Stadt, auf einer Anhöhe, befand sich die Maria Magdalena Kirche, welche wir gerne besichtigen wollten,
doch sie war, wie so viele andere auf dem Camino, geschlossen. Während wir noch ratlos vor der Kirche standen,
marschierte die Gruppe aus Bayern, die mit uns im selben Hotel übernachtet hatte und deretwegen wir unsere Abmarschzeit
15 Minuten vorverlegt hatten, an uns vorbei. Daraus ließ sich schließen, dass sie wohl den direkten Weg genommen
hatten und wurden seitdem nicht mehr gesehen.
Noch während wir den davoneilenden Bayern nachsahen, ergab sich eine typische Jakobsbegegnung, denn ein Mann kam,
öffnete die Kirche und ließ uns eintreten. Wir bekamen die Kirche in gewohnter Manier erklärt (d.h. Beatrix übersetzte).
Die Kirche gehörte zu einem Kloster, welches heute jedoch unbewohnt ist. Wir betraten und verließen die Kirche über den
Kreuzgang des Klosters. Dort war auch der ideale Platz für die Morgenmeditation mit dem Thema:
die Spur suchen - die Spur finden - der Spur folgen.
An dieser Superakustik der Kirche kamen Bernhard, Karin und Bettina nicht vorbei, ohne ausgiebig von ihr Gebrauch zu
machen. Zu allem Überfluss wurden Stempel verteilt, was jeden Pilgerpass erfreute.
Vor der Kirche ergab sich ein seltsames Bild; Toni stand bei einem Motorrad. Leises Gemurmel setzte ein, in dem die
Namen Don Camillo und Peppone fielen. Jedoch nach reichlicher Überlegung entschloss sich Toni doch zu Fuß weiterzugehen
und nicht in Don Camillo Manier mit dem Motorrad, so dass wir uns gemeinsam auf den vor uns liegenden Weg machten. Es
versprach ein wunderschöner warmer Tag zu werden, die Sonnenstrahlen ließen sich blicken und so zogen alle gutgelaunt
weiter.
Auf dem Camino streiften wir Babadelos. Die Kirche dort war geschlossen und eine zweite Jakobsbegegnung schien uns
heute wohl verwehrt. Also, Rucksäcke satteln und weiter ging's. Gegen 11.30 stießen wir auf einen Pilgerplatz mit
ausgebautem Brunnen. Dort wurde haltgemacht, sich erfrischt und auf die Nachzügler gewartet. Während wir die Rast
in der Sonne genossen, lief ein uns alt- und wohlbekannter Pilger über den Weg - der Schotte. Wer sollte es auch
sonst sein. Allerdings werden wir ihn und natürlich seine Frau (die es an diesem Tag zu ihrem ersten Lächeln brachte)
noch öfter im Verlaufe der Wanderung sehen.
Nach einer kurzen Gesangseinlage von Toni, Manfred und Walter war Walter so ausgelassener Stimmung, dass er uns nach
Art der Afrikaner vortanzte (mit Pilgerstab und dazu passendem Gesang). Angespornt von weiteren Bitten wiederholte er
sein Gehüpfe bis es auch der Letzte gesehen hatte.
Ca. 13.15 war es soweit und es wird historisch: der Kilometerstein 100 ist erreicht. Hier kam jeder Photograph und
Filmer auf seine Kosten. Gruppenfotos wurden in Mengen gemacht, den Jahren nach geordnet. Als das Unterfangen
erfolgreich abgeschlossen war, wurde weitergewandert und kurz darauf ein Plätzchen in der Sonne auf einer Weide
zur Mittagsrast gefunden. Rohrs verabschiedeten sich nach der Mahlzeit mit dem Spruch. "Los Rohros sind in los Baros".
Dann stellte sich nach kurzer Zeit erholsame Ruhe ein. Alles schwieg und war still, sogar der Manfred....
Der Komödie zweiter Teil
... Nach Ende der Mittagspause, in der mein Nickerchen wieder viel zu kurz kam, als wir am Aufbrechen waren,
begegnete uns erneut der Hesse, zog aber nach kurzem Plausch wieder von dannen. Gegen 14.30 Uhr war die Zeit reif
für den tagtäglichen Rosenkranz. Zu erwähnen ist, dass man während eines solchen Rituals einiges beobachten kann.
Während unsere zwei christlichen Mitschwestern vorne weg die Avantgarde bildeten, folgten wir anderen unserem
geistlichem Führer, dessen Aura beim gemeinsamen Gebet zur Ehre der Mutter Gottes noch deutlicher in Erscheinung
trat als sie schon ohnehin vorhanden war.
Während die einen, ihre Skistöcke -klack, klack-, als Wanderhilfen einsetzend, das "Heilige Maria" eher murmelnd
und in Gedanken versunken beteten, kam bei einem der Schäfchen wohl Langeweile auf. Munter kreiselte er hinter
seinem Rücken zum Rhythmus des Gebetes seine beiden Skistöcke und erschlug dabei fast einige Bienen. Gottes
fleißige Geschöpfe!
Irgendwann, schätzungsweise beim 94,5 km-Stein, teilte sich unbemerkt die Gruppe. Ich weiß nur noch, dass ich
im Gespräch mit Wolfgang mich auf seinen schwäbischen Dialekt zu konzentrieren versuchte. Plötzlich waren bis
auf Karolin, Wolfgang und Brigitte, Gert, sowie meine Wenigkeit alle irgendwo hinter uns. Was nun? Warten? Hm.
Wo? Hmm. Dabei war der Rhythmus, bei dem man mit muss, gerade so schön. So wurde gelegentlich Ausschau noch hinten
gehalten. Doch niemand kam. Irgendwann war der Gert vor mir auch weg. Er ging nicht schnell, nein. Aber konstant.
So machte ich es mir auf einer Mauer gemütlich und wartete bestimmt zehn Minuten bis Karolin & Co kamen, obwohl die
doch gar net so weit hinter mir waren. Seltsam.
Die Nachhut, bei der es lt. Berichten viel zu Lachen gab (was die Spanier wohl über uns denken mussten!), ließ sich
immer noch nicht blicken und Gert ward bis Portomarin nicht mehr gesehen. Die Aussicht, dass es einen Stausee an
der Strecke gab, steigerte bei mir die schon ohnehin gute Laune. Oft wurde uns Küken gesagt, wie schön es doch sei,
uns junge Leute dabei zu haben. Aber, Karolin, an Dich geht meine Hommage: Ohne das Streben danach, explizit in
einem Bericht erwähnt zu werden (so sah es jedenfalls aus), kam von Dir der netteste Satz: "Wenn Engel reisen,
lacht der Himmel." So'n Zufall aber auch, dass just in diesem Moment die Sonne mit dem strahlend blauen Himmel
um die Wette lachte!!!
Irgendwann stießen wir dann in einer Kurve auf eine breitere Straße. Und was befand sich hinter dieser Kurve?
Seht doch! El Café. Los alemanos arrivos! Und Gert ward immer noch nicht gesehen. Schließlich hatten fast alle
den gleichen Gedanken. Denn auch die Nachhut hielt zielstrebig darauf zu. Sogar der Prefi, der Manfred, der
über Umwege das Ziel fand. Statt einem Hallo, schön Euch wieder zu sehen!' hörte man nur Gibt et Kaffee? Bier
trank ich keint!' in seinem typisch rheinfränkischen Dialekt.
Beim Weitermarsch begegneten wir dann diesem tollen Stausee. Doch, ich muss sagen, der See war echt super. Da
schaute sogar noch etwas raus. Das sah aus wie Dächer. Von Häusern. Die unter Wasser standen. War das also
Portomarin? Mit Fischen als Einwohnern? Ach nein, Scherzkeks! Drüben, am anderen Ufer, da stehen ja Häuser,
zu denen eine Brücke führt. Die Brücke ist in Wirklichkeit viel hässlicher, als sie auf Photos erscheint. Und
das davor? Tsa, das war mal eine Brücke zur anderen Seite. Es ist nun wirklich eine architektonische
Meisterleistung, neben einer noch immer schönen Brücke gotischen Baustils mit typischen Rundbögen (Beatrix, vergib
mir die Fehltritte meiner Fachbegriffe) ein potthässliches Ding daneben zu pflanzen. Dieser Baumeister hatte wohl
eine Vorliebe für 90' Winkel. Und erst die Höhe! Denn ziemlich jeder war froh, als er das Ende dieser schier endlosen
Überführung erreicht hatte. Was dann folgte waren Treppen. Viele Treppen. Und siehe! Da ward der Gert auch wieder
gefunden! Auch der Hesse ließ sich abermals blicken.
Szene Prefi, die 2:
Hesse: "Ihr seid eine harmonische Gruppe."
Manfred: "Aber nur äußerlich!"
Ce Prefi!
Auf dem Weg zur Kirche zeigte sich, dass Portomarin, als Stadt nicht besonders schön, auch ein paar ansehnliche
Straßen zu bieten hat, so z.B. die Passage, die zur Saalkirche hinauf führt. Die Kirche selbst ist geprägt
von Schlichtheit, besitzt aber eine unglaubliche Akustik. Fast schon zuviel des Guten. Und so war es selbstverständlich,
dass unser Quintett einige seiner Werke zum Besten gab, mit denen es nicht nur uns, sondern auch andere Besucher
aus der Stadt in einen hypnose-ähnlichen Zustand versetzte. Jaa.
Später im Hotel, während ich mir etwas Entspannung gönnte, machte Bianca sich auf, die Umgebung zu erkunden. Ich
muss sagen, sie entpuppte sich mehr und mehr zu 'nem echten Schatz. Nicht nur dass sie entdeckte, wo es herrlich
frisches Brot zu kaufen gab, nein, sie besorgte uns auch noch Briefmarken! Sellos!!! Die sind schwerer zu bekommen
als Gemüse beim Essen im Restaurant! Doch das Hotel und das Essen waren wieder pikfein.
Was bleibt noch vom Tage zu berichten? Genau: Das Zähneputzen. Aber nur Manfred und Beatrix traten dazu an. Hm.
An dieser Stelle nun, meine lieben Leser, beende ich meinen Reisebericht und bedanke mich bei Bianca für ihre
Geduld mit mir. Denn was lange währt, wird endlich gut.
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